Aktivisten: Quick Freeze ist Vorratdatenspeicherung durch die HintertĂĽr

Der AK Vorratsdatenspeicherung mahnt klare Grenzen bei Buschmanns Initiative zum Einfrieren von Nutzerspuren an, sonst wĂĽrden diese massenhaft protokolliert.

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(Bild: Sashkin/Shutterstock.com)

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Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) setzt auf Quick Freeze zum Einfrieren von Verbindungs- und Standortdaten für die Strafverfolgung, um eine weitergehende Vorratsdatenspeicherung zu verhindern. Doch Bürgerrechtlern geht auch dieser Ansatz prinzipiell zu weit. Quick Freeze dürfe nicht rückwirkend greifen und mehr oder weniger nur noch zum Selektieren oder Filtern bereits erhobener Nutzerspuren dienen, fordert der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf Buschmanns. Vielmehr sollte das Verfahren erst den Start einer Datenerhebung und -speicherung einleiten, also "vorwärts gewandt" erfolgen.

Vor allem müsse die "inzwischen betriebsübliche 7-Tage-Speicherung von IP-Adressen explizit abgelöst werden", verlangt der AK-Vorrat in einer Mitteilung am Montag. "Sonst haben wir eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertüre für alle." Buschmann setzt dagegen ausdrücklich darauf, dass die Provider ohnehin bereits für betriebliche Zwecke gespeicherte Nutzerspuren aufbewahren. Der AK-Vorrat hält dagegen: Wenn ein Richterbeschluss beim vorwirkenden Quick Freeze ein Startsignal gebe, dann müsse der Zugangsanbieter zu diesem Zeitpunkt "mit einer leeren Datenbank quasi Tabula Rasa zur Speicherung bei Einzelpersonen beginnen". Andernfalls sei von einem flächendeckenden Protokollieren von Nutzerspuren auszugehen.

Laut dem Gesetzesentwurf des Justizministeriums solle allein schon die "potenzielle Beweisbedeutung" das Speichern von Verkehrsdaten rechtfertigen, monieren die Bürgerrechtler weiter. Dies lasse befürchten, dass Staatsanwälte und Amtsgerichte "flächendeckend und routinemäßig" die Nutzerspuren sämtlicher Bürger auf Vorrat speichern lassen könnten, weil die reine Möglichkeit bestehe, dass diese sich für bestimmte Ermittlungsverfahren künftig als von Nutzen erwiesen. Im Zuge von Ermittlungen wegen Bandendiebstahls mit wechselnden Tatfahrzeugen habe etwa die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ab 2019 über einen Zeitraum von zwei Jahren die Speicherung sämtlicher Kfz-Kennzeichen auf Brandenburger Autobahnen im "Aufzeichnungsmodus" angeordnet. Begründung: Nur so könnten "erst später bekannt gewordene weitere Fahrzeuge sowie sonstige Ermittlungserkenntnisse" zugeordnet werden.

"Nach dieser Logik und uferlosen Argumentationen drohen auch totale Sicherungsanordnungen" für Verbindungs- und Standortinformationen, warnt der AK-Vorrat. Die vorgesehene zeitliche Befristung von Speichervorgaben verhindere Missbrauch nicht, da jederzeit solche Anordnungen "im Ausgangsverfahren oder in wechselnden anderen Verfahren erlassen werden" könnten. Buschmann wolle zudem nicht – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – eine "Login-Falle" umsetzen, mit der Täter gezielt online etwa auf sozialen Netzwerken überführt werden könnten. Dabei wäre dieser Mechanismus eine gute Alternative zu Quick Freeze.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) drängt trotz einer Regierungsabsprache für Quick Freeze weiter darauf, zumindest IP-Adressen auf Vorrat zu speichern. Die SPD-Fraktion will einen solchen Schritt "ergebnisoffen" prüfen. Auch der Bundesrat drängelt: Vor allem die von CDU und CSU geführten Länder haben ein vom Bundestag bereits beschlossenes "Sicherheitspaket" in Teilen gestoppt, weil es ihnen bei Überwachungsbefugnissen nicht weit genug geht. Sie halten das anlasslose Protokollieren von IP-Adressen für unerlässlich. Die Bundesregierung überlegt noch, ob sie dazu einen Vermittlungsausschuss einsetzen will.

(olb)