RFID-Regulierung bleibt stark umkämpftes Terrain

Verbraucherschützer und Grüne fordern weiter ein gesetzliches Rahmenwerk für Funkchips, während die Industrie den Selbstregulierungskurs der EU-Kommission unterstützt und Gesetze strikt ablehnt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 27 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Verbraucherschützer und Grüne fordern weiter ein gesetzliches Rahmenwerk für Funkchips, während die Industrie den von der EU-Kommission gepredigten Vorrang der Selbstregulierung unterstützt. "Wir müssen Gesetze, Verhaltensregeln und technische Schutzmöglichkeiten gemeinsam in Betracht ziehen", um die Vorteile von RFID-Technik zum Tragen zu bringen, betonte Anna Fielder vom britischen National Consumer Council am gestrigen Donnerstag auf der Konferenz des Bundesverbraucherschutzministeriums zu Herausforderungen und Chancen der digitalen Welt in Berlin. Es seien klare und transparente Regeln zum Einsatz der Funkchips nötig. Zugleich müsse die Sicherheit der kontaktlosen Datenübertragungstechnik mit Hilfe gut implementierter Verschlüsselungsverfahren gewährleistet werden, da die Chips über elektronische Reisepässe und andere Ausweisdokumente letztlich an die gesamte Bevölkerung ausgeteilt würden.

Eine kategorische Absage erteilte Fielder Ansinnen, RFID-Etiketten Menschen direkt etwa für die Kontrolle von Schulkindern, Arbeitnehmern, Patienten oder Gefangenen zu implantieren. Sie sprach zudem von einer Reihe von Patenten rund um die Funktechnologie, "die uns Sorgen macht". Dazu zählte sie einen Anspruch von Philips auf ein gewerbliches Schutzrecht, Funktags etwa in Teppiche zur einfacheren Verfolgbarkeit von Personen einzubauen. Diese Ansätze würden die Aussagen der Wirtschaft konterkarieren, dass man mit RFID insbesondere Logistikstrukturen verbessern wolle und keine Überwachungsprojekte plane.

Jörg Pretzel, Geschäftsführer des Konsortiums GS1 Germany, räumte ein, dass Grenzen des Funkchips-Einsatzes festgelegt werden müssten. "Gesetze helfen dabei aber nicht", behauptete er. Mit den unter anderem von seiner Organisation vorgelegten Selbstkontrollbestimmungen "haben wir die volle Transparenz", bezeichnete Pretzel darüber hinaus gehende staatliche Eingriffe als unnötig. Die Verbraucher würden bereits "über die komplette Datenverarbeitung informiert". Ferner habe sein Konsortium, die hierzulande die Interessen von des Standardisierungsgremiums EPCglobal zur Einführung des elektronischen Product-Codes auf Basis der Funktechnik vertritt, die Deaktivierbarkeit der Chips am Ladenausgang sichergestellt. Kunden, die einen RFID-Chip akzeptieren, würden ferner nicht besser gestellt als Funkchip-Skeptiker.

Der Vorstandsvorsitzende des industrienahen Informationsforums RFID, Michael ten Hompel, bezeichnete den Kurswechsel in Brüssel derweil als "richtungsweisend". Ein Vertreter der EU-Generaldirektion Informationsgesellschaft hatte im Mai noch auf eine weltweite Regulierung vernetzter RFID-Systeme gepocht. Die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding hatte im Rahmen der Auswertung einer Konsultation zu Funkchips im Herbst ebenfalls noch hervorgehoben, dass "Bürger Datenschutzbedenken" rund um die Funktechnik hätten und 55 Prozent der Teilnehmer gesetzliche Schutzmaßnahmen wünschten. Dennoch lehnte die Luxemburgerin eine rasche gesetzliche Regelung jetzt im Einvernehmen mit der Industrie als "Überregulierung" ab. Ten Hompel sprach denn auch von einer "wichtigen Klarstellung".

Silke Stokar, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, bezeichnete die Vorschläge Redings dagegen als "sehr vage". Auch der Zeitplan zur Ausarbeitung "anwendungsbezogener Leitlinien" zum Jahresende sei wenig ehrgeizig. "Wir brauchen so schnell wie möglich einen klaren datenschutzrechtlichen Rahmen, in dem sich die Innovation der RFID-Technik entfalten kann", mahnte Stokar an. Schließlich sei eine Daten- und Verbraucherschutz in angemessener Weise berücksichtigende und mit Sanktionen bei Verstößen unterfütterte freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft nicht in Sicht. Vielmehr würden dort "Hochglanz-RFID-Broschüren" produziert, auf denen Datenschutz draufstehe, aber nicht drin sei. Auch vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) ist weiter zu hören, dass RFID erst "auf die Verbraucher losgelassen werden darf, wenn klare Regeln zum Datenschutz bestehen". Die Gefahr der Erstellung von Kunden- und Bewegungsprofilen müsse frühzeitig gebannt werden. (Stefan Krempl) / (anw)