Rachepornos: Geschworene sprechen Opfer in Texas 1,2 Milliarden US-Dollar zu
Ein US-Amerikaner, der seine Ex-Freundin online belästigt und intime Fotos von ihr geteilt hat, soll dafür laut einer Jury mit einer hohen Geldstrafe büßen.
"Du wirst den Rest deines Lebens damit verbringen, vergeblich zu versuchen, dich aus dem Internet zu entfernen. Jeder, den du jemals treffen wirst, wird die Geschichte hören und sich auf die Suche begeben. Fröhliches Jagen." Solche mit dem Verbreiten intimer Fotos über soziale Medien untermauerten Drohungen und andere Formen bildbasierter sexualisierter Gewalt sollen einem US-Bürger teuer zu stehen kommen: Eine Jury des Bezirksgerichts für den Landkreis Harris in Texas sprach seiner betroffenen Ex-Freundin aus Houston insgesamt 1,2 Milliarden US-Dollar zu. 200 Millionen setzten die Geschworenen dabei für vergangene und zukünftige seelische Qualen und eine Milliarde als exemplarischen Schadensersatz an.
Die Jury sah laut der Anwaltskanzlei der Klägerin Beweise dafür, dass ihr früherer Partner auf die Trennung des Paares nach rund fünf Jahren in 2020 und 2021 "mit der Absicht reagierte", die Betroffene "in Verlegenheit zu bringen, zu belästigen, zu quälen, zu demütigen und öffentlich zu beschämen". Ihr Prozessanwalt Bradford Gilde hatte dem Beklagten vorgeworfen, er habe Rachepornos ("Revenge Porn") geteilt, um eine Kombination aus psychischem und sexuellem Missbrauch sowie häuslicher Gewalt zu verursachen. Beweise aus dem Prozess zeigten, der Verdächtige habe beabsichtigt, dass der Schmerz der Verflossenen "für immer" anhalten werde.
Zugriff auf Ăśberwachungskameras
Die Frau zog Medienberichten zufolge nach der Trennung zurück zu ihrer Mutter. Ihr Ex-Freund soll die Anmeldeinformationen für ihre E-Mail- und Social-Media-Konten behalten und sich Zugriff auf das Überwachungskamerasystem in der Wohnung der Mutter verschafft haben, wodurch er intime Fotos von der Klägerin erhielt. Beim Veröffentlichen der Aufnahmen im Netz zusammen mit Angaben über ihren Arbeitsplatz und ihr Fitnessstudio soll er Freunde und Familie markiert haben. Die Frau soll an Selbstmord gedacht haben. Bei ihr sei eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden. Ihre Anwälte forderten einen Schadensersatz in Höhe von 100 Millionen US-Dollar.
Gilde dankte den Geschworenen, dass sie sich "gegen das abscheuliche Verhalten des Angeklagten und gegen bildbasierten sexuellen Missbrauch ausgesprochen" hätten. Er räumte ein, dass die Schadensersatzsumme vermutlich letztlich nicht in voller Höhe Bestand haben werde und symbolisch zu verstehen sei. Die Jury gebe mit ihrer Ansage der Missbrauchten aber "ihren guten Namen zurück". Die Entscheidung sei auch ein Appell der Geschworenen, hob der Anwalt mit Blick auf die Überhandnahme von Rachepornos hervor, "das Bewusstsein für diese technologiegetriebene nationale Epidemie zu schärfen".
Nach Angaben der nationalen Vereinigung von Generalstaatsanwälten haben schon bis 2019 mindestens 40 Millionen US-Bürger angegeben, Opfer von bildbasiertem sexuellem Missbrauch zu sein. Wenn Geschworene vor einem US-Zivilgericht eine Schadensersatzstrafe verhängen, obliegt es dem Kläger, weitere Schritte einzuleiten, wenn der Beklagte nicht zahlt. Er kann etwa einen weiteren einschlägigen Gerichtsbeschluss anstreben oder ein Inkassobüro einbeziehen.
In dem texanischen Fall erschien der Beklagte laut der Washington Post nicht vor Gericht, nahm sich keinen Anwalt und reagierte auch nicht auf eine gerichtliche Vorladung für den Prozess. Die juristische Auseinandersetzung dürfte also noch weitergehen. Hierzulande verschärfte der Bundestag die strafrechtlichen Bestimmungen gegen Cyberstalking und bildbasierte sexuelle Gewalt im Jahr 2021. Für besonders schwere Fälle inklusive des Einsatzes sogenannter Stalkingware für das digitale Ausspähen kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden.
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(mack)