Radio Dreyeckland: Hausdurchsuchungen waren rechtswidrig

Die Durchsuchung der Redaktionsräume von Radio Dreyeckland war rechtswidrig, urteilt ein Gericht. Das Strafverfahren gegen einen Redakteur aber läuft weiter.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 217 Kommentare lesen
Zwei deutsche Polizeiautos

(Bild: C. Nass/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Andreas Knobloch
Inhaltsverzeichnis

Die Durchsuchungen bei Radio Dreyeckland waren rechtswidrig. Das Landgericht Karlsruhe hat der Beschwerde des unabhängigen Senders Radio Dreyeckland (RDL) und der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) gegen die im Januar erfolgte Polizeirazzia stattgegeben. Durch die Durchsuchungen und die Beschlagnahme von Laptops seien mehrere Grundrechte wie die Rundfunkfreiheit verletzt worden, so das Gericht. Zudem muss die Staatsanwaltschaft die bei den Durchsuchungen gefundenen Daten löschen.

"Die Staatsanwaltschaft hat bei den Durchsuchungen die Rundfunkfreiheit völlig außer Acht gelassen – ein rechtsstaatliches Armutszeugnis", kritisiert David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF, in einer Erklärung. "Dieses rabiate Vorgehen sendet fatale Signale – die auch die erfreuliche Gerichtsentscheidung zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchungen nicht rückgängig machen kann."

Am 17. Januar 2023 hatte die Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe die Redaktionsräume des nicht-kommerziellen Senders Radio Dreyeckland sowie die Wohnungen eines Redakteurs und des Senderverantwortlichen durchsuchen lassen. Radio Dreyeckland hatte in einem Artikel die Archivseite der 2017 verbotenen Internetplattform linksunten.indymedia verlinkt. Darin sahen die Behörden eine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung.

Die "unverhältnismäßigen Durchsuchungen" seien ein massiver Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung, urteilte das Landgericht Karlsruhe nun. Sie verletzten zudem das Redaktionsgeheimnis und die Vertraulichkeit der Informantenbeziehung und könnten eine erhebliche einschüchternde Wirkung haben.

„Bereits als die Polizei bei mir in der Wohnung stand, war ich der festen Überzeugung, dass diese Aktion nicht rechtmäßig sein kann. Gut, dass das nun endlich auch gerichtlich festgestellt wurde“, wird Fabian Kienert, Redakteur bei Radio Dreyeckland, in der GFF-Erklärung zitiert.

Das Strafverfahren gegen den Redakteur läuft trotzdem weiter. Anfang Mai hatte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Anklage gegen den Verfasser des Artikels erhoben, war damit aber vor dem Landgericht zunächst gescheitert. Daraufhin zog die Staatsanwaltschaft vor das Oberlandesgericht Stuttgart. Dieses ließ im Juni die Anklage gegen den Redakteur zu. Dort soll nun geklärt werden, ob das Setzen eines Links im Rahmen eines Presseberichts überhaupt eine strafbare Unterstützungshandlung darstellen kann. Es müsse jetzt abgewogen werden, in welchem Verhältnis die Pressefreiheit zum Strafrecht stehe, heißt es vonseiten des Oberlandesgerichts. Das Verfahren läuft dort unter dem Aktenzeichen 2 Ws 2/23.

Die GFF sieht das Strafverfahren gegen Radio Dreyeckland "als ein weiteres Beispiel dafür, dass Staatsanwaltschaften zurzeit besonders scharf gegen vermeintlich linke Aktivist*innen und Akteure vorgehen und dabei immer wieder die Pressefreiheit verletzen", wie sie schreibt. Zuletzt war die GFF nach eigenen Angaben gemeinsam mit drei Journalisten gegen die Überwachung des Pressetelefons der Klimagruppe Letzte Generation vor Gericht gezogen.

Die Internetplattform "linksunten.indymedia" galt Sicherheitsbehörden als einflussreichstes Medium der linksextremen Szene in Deutschland – und als Forum für gewaltbereite Autonome. Gegen den bei dem Verbotsverfahren angewandten Kniff, es handele sich um eine verbotene Vereinigung, haben danach mehrere Personen Klage eingereicht, die Existenz des Vereins bestritten sie. Deswegen scheiterten sie 2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht aus formalen Gründen, denn zur Anfechtung eines solchen Verbots sei "regelmäßig nur die Vereinigung" befugt.

Radio Dreyeckland ist der älteste freie Radiosender Deutschlands; er entstand in den 1980er-Jahren aus der regionalen Anti-Atomkraft-Bewegung. Die Geschäftsleitung des Senders hatte bereits unmittelbar nach den Durchsuchungen Anfang des Jahres kritisiert, dass diese die Rundfunkfreiheit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzten.

(akn)