RealNetworks macht auf Open Source und ärgert Microsoft

Der Pionier für Streaming Media im Internet startet das Open-Source-Programm "Helix Community" und präsentiert mit dem "Helix Universal Server" eine Plattform, die selbst die Formate des Erzrivalen Microsoft streamt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 102 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Volker Zota

"Seitdem wir vor sieben Jahren RealAudio vorgestellt haben, wartet die Industrie auf eine umfassende, offene Streaming-Plattform. Am heutigen Tag erfüllen wir diesen lang gehegten Wunsch..." -- Mit dieser etwas bombastisch geratenen Formulierung kündigte Rob Glaser, CEO von Streaming-Media-Pionier RealNetworks, die Helix-Plattform an. Dabei handelt es sich nicht bloß um eine neue Release der auf RealVideo 9 und RealAudio Surround angepassten RealSystem-Streaming-Architektur. Das Unternehmen schlägt völlig neue Töne an: Erstmals ist Real bereit, Technologiepartnern und auch der Open-Source-Gemeinde Einblick in den Quellcode seiner Produkte zu gewähren -- wenn auch in Grenzen.

Über die Helix Community will Real Fremdentwicklern und der Open-Source-Gemeinde Zugriff auf Teile der "DNA" -- sprich den Quellcode -- seiner Produkte gewähren. Zu diesem Zweck stützt sich RealNetworks nicht etwa auf die GNU General Public License (GPL) oder vergleichbare Open-Source-Lizenzen, sondern führt neue Lizenzmodelle ein: die RealNetworks Public Source License (RPSL) und die RealNetworks Community Source License (RCSL). Letztere richtet sich an Entwickler kommerzieller Produkte sowie Forschungseinrichtungen und ist wesentlich restriktiver als die eher mit typischen Open-Source-Lizenzen vergleichbare RPSL.

Entsprechend werden die Quellen "kritischer" Applikationen wie dem "Helix DNA Server" und dem "Helix DNA Encoder" ab 31. Dezember dieses Jahres unter RCSL veröffentlicht, der Code des universellen Multimedia-Players "Helix DNA Client" hingegen bereits in 90 Tagen unter RPSL. Auch im Rahmen der Helix Community sieht Real übrigens nicht vor, die Quellcodes seines Allerheiligsten preiszugeben: Die Quelltexte des RealAudio- und RealVideo-Codecs bleiben hinter dem Vorhang.

Natürlich mutiert RealNetworks durch diese Ankündigung nicht zur Open-Source-Company. Vielmehr versucht sich der Streaming-Pionier die Unterstützung einer Vielzahl von Firmen und Entwicklern zu sichern. Real nennt bereits 29 Firmen -- darunter Intel, HP, Hitachi, Sony, Oracle, STMicroElectronics und Texas Instruments --, die Helix unterstützen wollen. Bei den bereits zum Erwerb beziehungsweise Download bereitstehenden Nachfolgern von Reals Produktpalette, "Helix Universal Server" und "Helix Producer", wird es sich nach wie vor um kommerzielle Produkte handeln (es soll aber auch die üblichen kostenlosen "Basic"-Varianten geben).

Insbesondere der "Helix Universal Server" dürfte für Zündstoff sorgen. Der Name ist hier nämlich Programm: Real verspricht Unterstützung für RealAudio/-Video, Apple QuickTime, MPEG-2, MPEG-4 und selbst Microsofts Windows Media -- liefert also alle wichtigen Streaming-Formate aus einer Hand. In Redmond dürfte die Nachricht, dass der Erzrivale auf dem Streaming-Markt das hauseigene Format im Netz verteilen kann, auf wenig Gegenliebe stoßen. Üblicherweise reagiert Microsoft allergisch auf Produkte, die ohne Zustimmung aus Redmond Microsoft-Technologie verwenden. Real befürchtet indes keine Klagen aufgrund von Patentverletzungen auf sich zukommen. Die Unterstützung für Windows Media sei im "Clean Room" entstanden. Die Entwickler hätten weder Zugriff auf Microsofts Quellcode noch selbigen per Reverse Engineering analysiert. Man darf auf die Reaktion auf Redmond gespannt sein.

Ob sich RealNetworks neue Taktik als Flop oder genialer Schachzug erweist, muss sich ebenfalls erst noch zeigen. Netscape, das in einem ähnlichen Versuch seine Browser-Technik unter Open Source stellte, gehört inzwischen zu AOL Timer Warner ... und Microsofts Internet Explorer regiert -- trotz Mozilla, Netscape selbst oder Opera -- die Web-Welt. (vza)