Recht auf "schnelles" Internet: Regulierer setzt mindestens 10 Mbit/s an

Wie erwartet legt die Bundesnetzagentur die Latte für den Rechtsanspruch auf Internet sehr niedrig. Kritiker sprechen von "überflüssiger Alibi-Regulierung".​

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(Bild: alexskopje/Shutterstock.com)

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Die Bundesnetzagentur schlägt für das neu geschaffene Recht auf schnelles Internet eine Mindestbandbreite von 10 Mbit/s im Download und 1,3 Mbit/s im Upload vor. Am Mittwoch hat die Regulierungsbehörde einen Verordnungsentwurf veröffentlicht, der die Mindestanforderungen für das im Telekommunikationsgesetz (TKG) verankerte Recht auf einen angemessenen Internetanschluss festlegt.

Bei Sprachdiensten muss ein Anschluss dem Entwurf zufolge mindestens 64 kbit/s in beiden Richtungen garantieren. Grundsätzlich darf die Signallaufzeit zwischen dem heimischen Anschluss und einem zur Bandbreitenmessung eingesetzten Server der Bundesnetzagentur 150 Millisekunden nicht überschreiten. In Ausnahmefällen kann die Bundesnetzagentur niedrigere Bandbreiten und höhere Latenzen festlegen, wenn sich das mit zu erwartenden Ausbaukosten oder geografische Gegebenheiten begründen lässt.

Mit dem neuen TKG haben Bürger erstmals einen Rechtsanspruch auf Breitband-Internet. Wer keinen oder nur einen unzureichenden Internetzugang hat, kann diesen Anspruch nun geltend machen. Die Kosten für die Einrichtung sollen aus einem Topf beglichen werden, in den Netzbetreiber und Diensteanbieter wie Whatsapp oder Signal einzahlen.

Im Gesetz fehlen die genauen Mindestanforderungen, die ein Breitbandanschluss leisten muss. Diese soll die Bundesnetzagentur ermitteln und mittels einer Verordnung festlegen. Bereits im Dezember hatte die Behörde die Werte zur Diskussion gestellt. Die nun vorliegende Verordnung soll am 1. Juni 2022 in Kraft treten. Zuvor muss noch der Bundesrat zustimmen und der Digitalausschuss des Bundestages gehört werden.

Das Mindestlevel soll sicherstellen, dass zum Beispiel die Nutzung von E-Mails, sozialen Medien, Suchmaschinen und Online-Banking sowie VPN-Dienste möglich sind. Videoanrufe in Standardqualität gehören auch zum Pflichtprogramm. Bei der Festlegung hat die Bundesnetzagentur auch Durchschnittswerte der von der Mehrheit der Bevölkerung genutzten Bandbreiten einbezogen.

Die nun festgelegten Mindestanforderungen sind vergleichsweise niedrig. Bei vielen Anschlüssen liegen deutlich höhere Bandbreiten an – vor allem in den Ballungsräumen. Die Bundesnetzagentur betont, dass es sich um Anfangswerte handelt. "Die Werte werden jährlich überprüft, die Datenraten dürften in den kommenden Jahren steigen", sagte der neue Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller.

"Das ist wie beim Mindestlohn – die meisten Menschen bekommen heute schon deutlich mehr Bandbreite, aber künftig darf niemand darunter fallen", erklärte Müller. Jeder, bei dem weniger ankomme, habe einen Anspruch auf eine höhere Datenrate. "Für diejenigen, die bisher gar nichts haben, verbessern wir die Situation ganz erheblich."

In seinem vorigen Job als Präsident des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) hatte sich Müller noch für "eine ehrgeizige Mindestbandbreite" ausgesprochen. Die Verbraucherschützer hatten zunächst 50 Mbit/s gefordert, das anschließen aber auf 30 Mbit/s gesenkt. Die Verordnung der Bundesnetzagentur bleibt auch dahinter weit zurück.

Die Netzbetreiber kritisieren das Recht auf schnelles Internet und befürchten insbesondere, dass die auf damit verbundene Verfahren dem laufenden Glasfaserausbau den Schwung nehmen – etwa weil dafür Kapazitäten beim Spezialtiefbau gebunden werden, die ohnehin ein knappes Gut sind. Deshalb hat die Branche vorgeschlagen, bei der Ausgestaltung des Rechts vor allem auf funkgestützte Anschlüsse zu setzen.

Dafür sollte die Latenz "pauschal auf einen Maximalwert von 350ms angehoben werden", forderte der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) am Mittwoch. So könne die Teilhabe für alle gesichert werden, ohne dass "negative Effekte auf den Glasfaserausbau" zu befürchten seien. Die von der Bundesnetzagentur festgeschriebene Ausnahmeregelung bezeichnete der Breko als "Schritt in die richtige Richtung".

Beobachter gehen davon aus, dass das bürokratische Verfahren zur Durchsetzung des Rechts langwierig werden dürfte. Und wenn man dann sein Recht bekommt und einen Anschluss gelegt bekommen hat, hängt man mit 10 Mbit/s immer noch hinterher. Telekommunikationsexperte Torsten Gerpott bescheinigt dem Gesetz wenig Praxistauglichkeit: Die Vorschriften "taugen in der Praxis nicht, um die Versorgung mit leistungsstarken Anschlüssen zu verbessern. Sie sind vielmehr ein Beispiel für eine überflüssige Alibi-Regulierung."

(vbr)