Rhetorische Innovationsschlacht zwischen Telekom und Wettbewerbern

Die kleinen Telcos wollen nicht zum "Handlanger der Telekom" verkommen, trotzdem aber vor allem auf Basis des DSL-Netzes des Platzhirsches eigene Preisbrecherangebote vorlegen.

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Zwischen den frischen Trieben im Telekommunikationsmarkt und dem alten Monopolisten ist ein offener Streit um die Innovationsführerschaft entbrannt. Anlass ist die "Innovationsoffensive", die Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke am Mittwoch auf dem internationalen Pressekolloquium seines Konzerns ausrief. Die Rhetorik Rickes könne allerhöchstens als "süffisant" bezeichnet werden, schimpfte Harald Stöber, Vorstandsvorsitzender von Arcor, am Donnerstag beim "Berliner Abend" des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). In dem Verein hat sich ein Großteil der Herausforderer der Deutschen Telekom zusammengeschlossen. VATM-Präsident und debitel-Chef Peter Wagner unterstrich: "Innovationen kommen nur aus dem Wettbewerb."

In der Frage, auf welchen Ebenen der Wettbewerb hauptsächlich stattfinden soll, sind sich die VATM-Mitglieder jedoch nicht einig. Stöber warnte davor, auf die Offerte Rickes hereinzufallen und nur die Produkte der Telekom etwa im Breitbandbereich mit anderen Preisschildern weiter zu verkaufen. Dies würde allein zu einem "Margenverfall", nicht aber zu einem Innovationswettbewerb führen. Maximal heraus käme beim Eingehen auf die so genannten Resale-Angebote des Platzhirsches höchstens ein Wettstreit mit T-Online. Dabei würde der Provider aber die mitziehenden Unternehmen nur "zu Handlangern der Telekom machen". Zum Aufbau eigener Infrastrukturen, die den Bonner Konzern tatsächlich in die Bedrängnis bringen könnten, käme es nicht.

Stan Laurent, Geschäftsführer von AOL Deutschland, bezeichnete die Avancen der Telekom, mit denen diese letztlich die an die Breitbandzugänge gekoppelten Bezahldienste vermarkten und ihre Netzressourcen in bare Münze umwandeln will, dagegen als "besser als nichts". Mit dem von Ricke angekündigten Bitstream-Access, einem nicht an Endkundenpreisen, sondern den tatsächlich anfallenden Bereitstellungskosten bemessenen Vorleistungsprodukt im DSL-Markt, könnten andere Provider den Surfern endlich ein nach eigenem Ermessen zusammengestelltes Hochgeschwindigkeitsangebot aus einer Hand unterbreiten. Natürlich nur, wenn die Konditionen stimmen würden, ergänzte Laurent. Beispielsweise könnte ein Zugangsanbieter dann Bandbreiten und Preise weit gehend eigenständig gestalten und sich Differenzierungsmöglichkeiten schaffen. Was die Bonner im DSL-Bereich momentan feilböten, sei allerdings alles andere als Innovation, hielt der Franzose in Hamburg fest: In Japan gäbe es statt einem Megabit DSL-Bandbreite längst "22 Meg".

In der Hochphase der umstrittenen Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ließen es sich die Wettbewerber vor mehreren Bundestagsabgeordneten im Publikum auch nicht nehmen, dem Gesetzgeber ihre Forderungen zur künftigen Marktregulierung noch einmal nachdrücklich ans Herz zu legen. Neben der Verankerung des Bitstrom-Zugangs im TKG machten sie sich vor allem auf ein eigenes Antragsrecht für Missbrauchsverfahren bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) stark. Behördenpräsident Matthias Kurth hält die Verbesserung des Rechtswegs allerdings "nicht für entscheidend". So seien etwa die Resale-Verpflichtungen schon vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet, und die Telekom lege den Klagenden auch immer brav Produktangebote vor. Darin seien jedoch regelmäßig so viele Klauseln enthalten, dass die Wettbewerber niemals damit glücklich würden.

Kurth bedauerte in diesem Zusammenhang, dass der ursprüngliche Paragraph 26 des Arbeitsentwurfs für das TKG im späteren Regierungsentwurf nicht mehr auftauchte. Dieser hätte der Telekom nur dann die Vermarktung eines Endkundenproduktes erlaubt, wenn auch die entsprechenden Vorleistungs- und Großhandelsangebote für die Konkurrenten "diskriminierungsfrei geklärt" gewesen wären. Generell blickt Kurth der Zukunft der Branche wieder rosig entgegen und erhofft sich vor allem von der 2002 erfolgten Freigabe des 5-GHz-Spektrums für drahtlose Funknetze (WLAN) mehr "Kreativität" im Markt und eine "Belebung des Wettbewerbs". (Stefan Krempl) / (jk)