RoboCup-WM 2008: Mach mir die Zahnbürste

Dass sich mit Lowtech-Lösungen beim Roboterfußball auch heute noch Erfolge erzielen lassen, bewiesen bei der WM im chinesischen Suzhou gleich mehrere Teams.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Die hohe Luftfeuchtigkeit in Suzhou bereitet nicht nur den Menschen Probleme. Auch die Roboter haben damit zu kämpfen. Zwar rinnt ihnen nicht der Schweiß übers Chassis, aber die Ballkontrolle ist unter den ungewohnten klimatischen Bedingungen deutlich schwieriger. Das gilt jedenfalls für die Roboter der Middle Size League, die heute bei der RoboCup-WM in Suzhou ihre ersten Spiele ausgetragen haben.

Gleich zu Beginn trafen dabei Brainstormers Tribots (Universität Osnabrück) und Tech United (TU Eindhoven) aufeinander, die zuletzt im April beim Halbfinale der RoboCup German Open gegeneinander gespielt hatten. Dabei hatten die Roboter von Tech United das Weltmeisterteam mit ihren gefährlichen hohen Bällen aus dem Turnier gekickt. Hohe Schüsse versuchten sie auch diesmal mehrmals, allerdings ohne das Tor zu treffen. Darüber hinaus waren zunächst keine Fortschritte erkennbar.

RoboCup-WM 2008: Mach mir die Zahnbürste (5 Bilder)

RoboCup-WM 2008

Ein Spieler der Brainstormers Tribots stürmt aufs gegnerische Tor zu.

Die Tribots dagegen zeigten eine für das erste Turnierspiel erstaunliche Sicherheit beim Dribbling. Sie waren deutlich häufiger am Ball als der Gegner und verloren ihn selbst an der Aus-Linie nur selten, was ansonsten ein typisches Problem zu Beginn eines Turniers ist. Ein Tor konnten sie jedoch ebenfalls nicht erzielen. Doch das war nicht der einzige Grund, weswegen das Team mit der Performance noch nicht zufrieden war.

"Der Ball ist klebriger als sonst", sagt Team-Gründer Martin Riedmiller und demonstriert es, indem er ihn mit einer Hand von oben greift und problemlos festhält. "Normalerweise kann man ihn so nicht halten." Er vermutet, dass die hohe Luftfeuchtigkeit dafür verantwortlich ist. Wenn aber der Ball so stark am Spieler klebt, dass er nicht mehr rollt, wird das Spiel abgepfiffen. Daher muss das Dribblingverhalten den unerwarteten Spielverhältnissen angepasst werden. Als eine Sofortmaßnahme wurden die Ballführungsstäbe eines Roboters mit Zahnbürstenköpfen aus dem Hotel ergänzt. Die ersten Tests der neuen Borstentechnik verliefen recht ermutigend. "Jetzt ist jemand unterwegs, um 20 weitere Zahnbürsten zu kaufen", so Riedmiller.

Ein zusätzliches Problem sind die langen Fasern des Spielfeldteppichs, die den kleinen Rädern der Tribots mehr Widerstand als gewohnt entgegensetzen. Roboter mit großen Rädern kommen damit weitaus besser zurecht. Auch hier wird sich das Tribots-Team eine Lösung einfallen lassen müssen.

Auf dem Nachbarfeld fand parallel zur Begegnung Tribots gegen Tech United ein Lokalderby zweier Teams aus Shanghai statt. Dabei schlug Strive den Rivalen Jiaolong mit 2:0. Die Tore erzielten die Roboter mit einem pneumatischen Kickmechanismus. Als Tank für die dafür benötigte Druckluft dient eine Pepsi-Flasche aus Plastik, die vor jeder Halbzeit mit acht Bar aufgepumpt wird. Das reicht nach Aussage von Teammitglied Zong Jie Xiang für knapp zehn Schüsse. Selbst bei der zwölften RoboCup-WM lassen sich also immer noch mit Lowtech-Lösungen Erfolge erzielen.

Das gilt allerdings nicht für jede Liga. In der Humanoid League wird man mit Plastikflaschen und Zahnbürsten nicht weit kommen. So hat das Weltmeisterteam NimbRo seinen neuen Teen-Size-Roboter mit den stärksten verfügbaren Servomotoren ausgestattet und den mechanischen Aufbau so robust gestaltet, dass der Roboter sich als Torwart hinwerfen kann, ohne Schaden zu nehmen.

Bei der heutigen Begegnung mit dem Roboter von RoboErectus aus Singapur war das jedoch noch nicht notwendig. Der imposante, aber schwerfällige RoboErectus kam bei dem Dribblingwettbewerb nicht zum Schuss, NimbRo dagegen traf dreimal.

Die aufwendige Konstruktion humanoider Teen-Size-Roboter ist nur wenigen Universitäten möglich. In der Kid-Size-Klasse können dank mittlerweile verfügbarer günstiger Komponenten und Bausätze deutlich mehr Teams teilnehmen. Umso bemerkenswerter, dass es alle deutschen Teams nach dem ersten Spieltag in ihren jeweiligen Gruppen an die Tabellenspitze geschafft haben.

Bemerkenswert war auch die Eröffnungszeremonie, die damit endete, dass mehrere Honoratioren, musikalisch unterstützt vom Radetzkymarsch, auf die Bühne schritten und jeweils hinter einem roten Band in Stellung gingen. Dann ertönte das "Star Wars"-Thema, im Hintergrund sprühte ein Funkenregen in die Höhe und das Band wurde zerschnitten. Applaus.

Der Geruch von Schwefeldioxid war noch nicht verflogen, das Publikum noch nicht zerstreut, da dachten Gerald Steinbauer und seine Mitstreiter von der TU Graz, wo die nächste RoboCup-WM stattfinden soll, schon darüber nach, wie sie diese Eröffnungszeremonie toppen könnten. Sollte man vielleicht den Bürgermeister an einem Seil wie Superman auf die Bühne fliegen lassen? Wir dürfen gespannt sein.

Zur RoboCup-WM 2008 siehe auch:

(Hans-Arthur Marsiske) / (pmz)