Studie: Probanden hörten Stimmen im Rauschen – obwohl keine da waren
Schweizer Forschende haben ein robotergestütztes Verfahren entwickelt, das bei gesunden Versuchspersonen Stimmwahrnehmungen hervorruft.
Optische und akustische Halluzinationen gehören zu den Symptomen schwerer psychischer Erkrankungen. Doch obwohl sogar fünf bis zehn Prozent ansonsten vollkommen gesunder Menschen gelegentlich unter "auditiven verbalen Halluzinationen" leiden, also Stimmen hören, die eigentlich nicht da sind, ist die Ursache dieses Phänomens noch weitgehend unbekannt. Was unter anderem daran liegt, dass es bisher nur wenige und unzuverlässige Methoden gibt, solche Halluzinationen gezielt hervorzurufen, um sie unter kontrollierten Laborbedingungen zu untersuchen.
Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne haben nun eine Methode entwickelt, die das zumindest teilweise ermöglicht. Technische Einzelheiten dazu beschreiben Pavo Orepic und Kollegen jetzt in einem Artikel für die Fachzeitschrift "Psychological Medicine".
Zunächst nahmen die Forschenden die Stimmen von 48 Versuchspersonen auf, die neun einsilbige Wörter sagten, sowie die Stimmen von Personen, die den Teilnehmern unbekannt waren und dieselben Wörter sagten.
Roboterarm, der anstupst
Bei dem eigentlichen Experiment sitzen die Versuchspersonen mit verbundenen Augen auf einem Stuhl, wobei sie ein haptisches Interface – einen an einem Tisch befestigten kleinen Roboterarm – vor sich haben. In frei wählbaren Abständen stoßen sie mit dem Interface nach vorne. Ein hinter ihnen angebrachter Roboterarm stupst sie dann am Rücken. Die Hypothese der Foschenden: Verändert man gezielt die zeitliche Korrelation zwischen den beiden Aktionen, verändert das die Wahrnehmung der Probanden. In früheren Versuchen hatten sie auf diese Weise bei ihren Versuchspersonen das Gefühl erzeugt, eine weitere "Präsenz" befinde sich im Raum.
Während die Probanden den Roboter bedienen, werden ihnen kurze Audio-Stücke vorgespielt. Einige der Samples enthalten lediglich – rosa – Rauschen, unter anderem waren die Stimmaufnahmen gemischt. Nach jedem Audio mussten die Teilnehmer sagen, ob sie eine Stimme erkannt hatten oder nicht. Tatsächlich konnten Orepic und seine Kollegen die Zahl der "Falschmeldungen", also die halluzinierten Stimmwahrnehmungen erhöhen, indem sie die Verzögerung zwischen der Aktion des Users und dem Stupsen des Roboters verkleinerten.
Offenbar führten die widersprüchlichen sensomotorischen Signale dazu, dass die Wahrnehmung der Probanden sich verändert. Was genau dabei passiert, konnten sie allerdings mit dieser Versuchsanordnung nicht unterscheiden. Die zwei gängigsten Theorien dazu besagen, dass die akustischen Halluzinationen entweder dann auftauchen, wenn die Probanden Schwierigkeiten haben, die Wahrnehmung von sich selbst von der Wahrnehmung der Außenwelt zu unterscheiden. Sie könnten aber auch ein Ergebnis eines zu stark gewichteten Vorhersage-Modells des Gehirns sein. Die Ergebnisse der Studie sind mit beiden Theorien vereinbar.
(wst)