Rosinenpicken der Telekom: Offener Netzzugang soll vor Doppelausbau schĂĽtzen
Die Telekom und Wettbewerber erwärmen sich zunehmend für das Open-Access-Modell, doch laut letzteren fehlen eine Pflicht zur Netzöffnung und ein Schiedsrichter.
Das Thema des Doppelausbaus von Glasfaseranschlüssen treibt die Telekommunikationsbranche um, die bis 2030 nach dem Willen der Bundesregierung alle Haushalte mit Glasfaser versorgen soll. "Die Kollegen der Telekom haben den Glasfaserausbau erst verschlafen", stichelte Andreas Pfisterer, Chef der vor allem im ländlichen Raum aktiven Gruppe Deutsche Glasfaser, am Donnerstag auf der Konferenz der Messe Fiberdays in Wiesbaden. Inzwischen hätten sie aber "zügig Boden gut gemacht" und überbauten sogar Anschlüsse für schnelles Internet der Konkurrenz. Das könne relativ schnell zu einer "Schieflage im Markt" nebst Verdrängungswettbewerb führen.
Vor allem in Großstädten wie Köln und München beobachten die Herausforderer aktuell Überbauaktivitäten der Deutschen Telekom. Der Vorwurf steht im Raum, dass sich der Platzhirsch die Rosinen aus dem Glasfasergeschäft herauspicken will. Die Folgen für die Konkurrenten seien gravierend, monierte Pfisterer. So drohe diesen, Investorengeld verloren zu gehen bei einem plötzlichen Doppelausbau. Für einen solchen bestünde angesichts der Option, Open-Access-Verträge abzuschließen, gar keine Notwendigkeit. Solche Vereinbarungen garantieren Wettbewerbern einen diskriminierungsfreien Zugang zu einem bestehenden Netz oder Leerrohren.
Open Access – "zentraler Baustein im Endkundengeschäft"
Open Access sei leider fast noch ein definitionsfreier Raum in der Telco-Branche, hielt Thilo Höllen dagegen, der bei der Telekom Deutschland für Breitbandkooperationen zuständig ist. Jeder verstehe etwas anderes darunter. Trotzdem habe der Bonner Konzern Joint Ventures etwa mit den Stadtwerken in Münster geschmiedet und baue auf Open-Access-Basis gemeinsam mit EWE vor allem in Niedersachsen 1,5 Millionen Anschlüsse, von denen nach den ersten drei Jahren 600.000 bereitstünden. Insgesamt werde der Druck größer, ins Wohnzimmer von Glasfaserkunden zu kommen.
Auch für einen Open-Access-Deal mit der Deutschen Glasfaser zeigte sich Höllen prinzipiell offen, nachdem diese im November eine Kooperation mit Vodafone schloss. "Wir freuen uns auf ein günstiges Layer-2-Bitstromangebot von der Telekom", ging Pfisterer mit einer Brise Ironie auf die Offerte ein. Dabei handelt es sich um ein Vorleistungsprodukt auf Ethernet-Ebene, über das auch Provider jenseits des eigentlichen Netzbetreibers Endkunden Internet- und Telefondienste anbieten können. Pfisterer bezeichnete Open Access als "zentralen Baustein im Endkundengeschäft", um Verkehr aufs Netz zu bringen.
Open-Access-Probleme
Im noch vergleichsweise jungen Markt für offene Netzzugänge treffen sich Angebot und Nachfrage noch nicht immer. "Wenn der Preis nicht stimmt, geht es nicht", malte Höllen ein Ausschlusskriterium auf. So habe ein Netzbetreiber 35 Euro pro Monat pro Anschluss von Dritten gefordert, während er selbst im Endkundenprospekt 29,99 Euro dafür ausweise. Auch sonst scheitere ein Open-Access-Vertrag oft an "brutalen Kleinigkeiten" wie etwa der Misere, dass bei einem Vorleister ein Service-Techniker "am Samstag um 16 Uhr nicht gewährleistet" sei. Zudem schneide sich die Telekom bei einem Open-Access-Einkauf "einen Arm ab", da sie dabei auf den Großhandel verzichte.
Das Glasfaser-Geschäftsmodell funktioniere nicht bei 30 bis 40 Prozent Netzauslastung, sondern erfordere 60 bis 80 Prozent, gab Dirk Pasternack, Chef der Firma Vitroconnect zu bedenken, die Telcos bei Open-Access-Angeboten auf der technischen Seite unterstützt. Der Ansatz nehme auch aus Investorensicht Fahrt auf, da der Ausbau schwieriger geworden sei etwa durch hohe Zinsen und Inflation.
Schiedsrichter und gelbe und rote Karten
Um das Regierungsziel zu erreichen, müsse die Branche die Kräfte bündeln, brach auch Marco Sick, Chef von Vattenfall Eurofiber und Vorstandsmitglied des Branchenverbands Breko, eine Lanze für den offenen Netzzugang. Für den Ausbau in Berlin sei der Ableger des Energieversorgers eine Partnerschaft mit der Deutschen Glasfaser eingegangen. Das sei kein Hexenwerk, aber viel Detailarbeit: "Verträge haben plötzlich 350 Seiten." Nötig sei auch ein Schiedsrichter, der auch mal die gelbe Karte zeige. Dann sei Open Access ein guter Schutz vor Überbau.
Ohne die Option, Leute mit der roten Karte vom Platz stellen zu können, werde es wohl nicht gehen, plädierte Freenet-Chef Christoph Vilanek für schärfere Sanktionsmöglichkeiten. Er forderte eine Pflicht für Diensteanbieter, Open Access zu offerieren, im Sinne der früheren ähnlichen Auflage im Mobilfunk, die reine Service-Provider beflügelte. Der Gesetzgeber oder die Bundesnetzagentur müssten hier eingreifen, da es aktuell nur eine Verhandlungspflicht gebe. In drei Jahren dürfte ihm zufolge aber auch der Wettbewerb die Dinge geregelt haben.
"Bergwanderung" oder "ein bisschen wie eine Ehe"
Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) appellierte bereits zum Messeauftakt am Mittwoch an die Branche, die bisherigen Open-Access-Bemühungen zu verstärken. Sein Ressort wolle der damit verknüpften Dynamik "weiteren Schwung geben". Ganz in diesem Sinne unterzeichneten Fabian Bühring, Geschäftsführer der SWN Glasfaser von den Stadtwerken Neumünster, und Volker Buck von der Wemacom in Schwerin auf offener Bühne einen Rahmenvertrag, um Produkte künftig auf beiden Netzen anzubieten. Bühring betonte dabei, dass beide Unternehmen bislang vor der eigenen Haustür gebaut hätten, nun aber eine kritische Masse bräuchten, damit das Geschäft sich langfristig weitertrage.
Eine solche Firmenpartnerschaft sei "ein bisschen wie eine Ehe", kommentierte Alfred Rauscher, Geschäftsführer der Regensburger Telekommunikationsgesellschaft R-KOM. Man verfolge gemeinsam einen Weg und lege seinen Stärken beim Netzausbau vor Ort zusammen, dürfe aber keinen Neid entwickeln. Habe es ein Interessent nur auf Fördergelder abgesehen, sei er "sofort raus". Vesta von Bossel, Partnerin beim Beratungshaus PwC, wollte lieber von einer gemeinsamen Bergwanderung sprechen, die auch eine gewisse Vorbereitung benötige. Mittelfristig würden Kooperationen zum "Must have", um das Netz zukunftsfähig zu machen.
(bme)