Russische Waffen: Diese Chips aus westlichen Ländern stecken drin

Russlands Halbleiterindustrie hinkt hinterher. Deshalb wurden in Raketen, Marschflugkörper und Drohnen DSPs von TI, FPGAs von AMD und Flash von IDT verbaut.

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(Bild: Novikov Aleksey/Shutterstock.com)

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Das russische Militär verwendet beim Angriff auf die Ukraine Waffensysteme, die auf Halbleiterchips aus den USA und anderen westlichen Ländern angewiesen sind. Das Royal United Services Institute (RUSI) hat unter anderem russische Marschflugkörper vom Typ 9M727 (Iskander-K), KH-101 und 3M-1795 (Kalibr) untersucht, die in der Ukraine niedergegangen sind, aber nicht explodierten.

Solche "Cruise Missiles" starten von Landfahrzeugen (9M727) oder Flugzeugen (KH-101) aus und fliegen dann mit einer eigenen Computersteuerung über mehrere Hundert Kilometer selbstständig ins Ziel. Um unter dem gegnerischen Radar zu bleiben, fliegen sie sehr niedrig und folgen dabei dem Geländeprofil (Konturenflug). Dazu muss das Steuerungssystem mehrere Sensoren auswerten, darunter Radar und Satellitennavigation (Glonass/GPS).

Das RUSI beschreibt in einem 27-seitigen Bericht Komponenten des 9M727-Steuerungsrechners Zarya und des Glonass-/GPS-Sensors SN-99. Demnach stammen die meisten Chips in Zarya vom russischen Chiphersteller Angstrem, der zur Rostec-Holding (beziehungsweise JSC Ruselectronics) gehört, sowie von der belarussischen Firma Integral.

Wichtigster Chip des Zarya ist laut RUSI allerdings ein digitaler Signalprozessor (DSP) aus der Baureihe TMS320 des US-Unternehmens Texas Instruments (TI). Außerdem fanden die RUSI-Spezialisten Flash-Chips der US-Firma IDT, die heute zu Renesas gehört, sowie SRAM-Chips von Cypress (mittlerweile von Infineon gekauft).

Der britische Thinktank RUSI hat Elektronikmodule aus russischen Waffen untersucht, die in der Ukraine eingesetzt wurden. Hier der Glonass- und GPS-Empfänger SN-99, der unter anderem im Marschflugkörper 9M727 steckt.

(Bild: RUSI)

Die unterschiedlichen TI-TMS320-Chipversionen trugen Bezeichnungen, die auf die Baujahre 1988 und 1990 verweisen. Es handelt sich also um ältere Entwürfe; die Iskander-Marschflugkörper gehen wohl auf Entwicklungen aus den späten 1980er-Jahren zurück.

Jüngere Bauelemente fanden die RUSI-Spezialisten im Marschflugkörper KH-101, der auch einen nuklearen Sprengkopf tragen kann und bis zu 3000 Kilometer weit fliegt. Sein Steuerungssystem nutzt unter anderem programmierbare Logikchips (FPGAs) von der heutigen AMD-Tochter Xilinx.

In einem Kalibr-Marschflugkörper steckten Chips, die laut Datumscode in den Jahren 2018 und 2019 gefertigt wurden. Damals galten als Folge der Annexion der Krim bereits Ausfuhrbeschränkungen. Ob sie genau die gefundenen Chips beziehungsweise die verarbeitenden russischen Firmen betrafen, erklärt das RUSI nicht. Mehrere Chiphersteller, deren Produkte in dem Bericht auftauchten, haben nach eigenen Angaben sämtliche Embargos genau beachtet.

Laut den RUSI-Untersuchungen ist Russland sogar bei der Auswertung der Signale des eigenen Glonass-Satellitennavigationssystems auf westliche Halbleitertechnik angewiesen. Im GPS- und Glonass-Empfänger SN-99 fanden sich jedenfalls Chips von Linear Technology, Spansion (später von Cypress übernommen) und STMicroelectronics.

Russland setzt im Ukrainekrieg auch Drohnen ein, sowohl zur Aufklärung (Orlan-10, Takhion) als auch als Waffe ("Kamikazedrohne" KUB-BLA mit Gefechtskopf, auch als KYB bekannt). Solche Drohnen kommunizieren mit Bodenstationen etwa zur Fernsteuerung oder zum Senden von Kamerabildern. Dazu sind aktuellere und leistungsfähigere Chips nötig als in den zuvor erwähnten Marschflugkörpern. Außer dem RUSI untersucht auch die europäische Organisation Conflict Armament Research (CAR) Waffen aus der Ukraine. Das CAR fand ebenfalls westliche Bauelemente in russischen Marschflugkörpern.

Bemerkenswert ist der geringe Anteil von Halbleiterbauelementen aus China. Allerdings haben sich chinesische Chiphersteller in den vergangenen 20 Jahren extrem schnell entwickelt, weshalb in künftigen russischen Waffen mehr Chips aus China auftauchen könnten.

Der Steuerungscomputer Zarya eines russischen Marschflugkörpers ist mit vielen Chips von Angstrem (Russland) und Integral (Belarus) bestückt, besonders wichtig ist aber ein TMS320-DSP von Texas Instruments.

(Bild: RUSI)

Die RUSI-Forscher haben auch untersucht, woher Russland die importierten Bauelemente bezieht. Dazu verwendeten Sie den "Altana Atlas" der US-britischen Firma Altana, die Daten zum Welthandel aus verschiedenen Quellen zusammenführt. Unter anderem enthält der Atlas Daten zu grenzüberschreitenden Lieferungen und deren jeweilige Zolltarifnummern (HS-Codes), die die Handelsware beschreiben.

In den fünf Jahren seit 2017 hat Russland demnach rund knapp eine Million Importgeschäfte mit Halbleitern abgewickelt, am häufigsten mit China und den USA (je etwa 15 Prozent). Es folgen Malaysia, Deutschland, Taiwan, Hongkong, Thailand, Großbritannien, die Philippinen und Finnland.

Die RUSI-Forscher gehen davon aus, dass russische Rüstungsfirmen bei Zwischenhändlern unter anderem in China und Hongkong viele Bauteile kaufen, die eigentlich aus anderen Ländern stammen. Die Experten sehen deutliche Hinweise, dass Exportbeschränkungen bewusst umgangen wurden.

Im Marschflugkörper Kalibr fanden sich Chips von Analog Devices, Marvell und Cypress, die vermutlich 2018 produziert wurden.

(Bild: RUSI)

Das RUSI wurde bereits 1831 gegründet und bezeichnet sich seit einigen Jahren als Thinktank für die britische Verteidigung. Es finanziert sich durch Spenden, Zuschüsse, Mitgliedsbeiträge und Forschungsaufträge. Zu den größeren Geldgebern gehörte in den vergangenen Jahren auch die Europäische Union.

Der Bericht des RUSI bestätigt, dass Russland bei der Halbleitertechnik weit hinter den westlichen Industrienationen, den asiatischen Chipspezialisten aus Taiwan, Korea und Japan und auch China liegt. Trotz enormer Einnahmen etwa aus dem Export von Gas und Öl ist es Russland nicht gelungen, eine konkurrenzfähige Halbleiterbranche aufzubauen.

Viele russische Firmen, die Chips importieren, stehen bereits auf Embargolisten. Der Nachschub an Chips für Waffen könnte also knapper werden. Wie viele Waffen in Russland aber noch lagern und ob sich die bisher verwendeten Chips etwa durch chinesische Bauelemente ersetzen lassen, beantwortet der Bericht nicht.

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(ciw)