Russland: Immer mehr Geldstrafen für nicht gelöschte Protestaufrufe im Internet
In Russland müssen Internetkonzerne weiterhin Geldstrafen bezahlen, weil sie unerwünschte Inhalte nicht entfernen. Das trifft nicht nur US-Konzerne.
Mehrere Internetkonzerne sind in Russland zu Geldstrafen verurteilt worden, weil sie Aufrufe zu verbotenen Demonstrationen nicht gelöscht haben. Das berichtet die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf Entscheidungen eines Gerichts in Moskau. Twitter muss demnach inzwischen insgesamt 27,9 Millionen Rubel zahlen (rund 310.000 Euro), Facebook 26 Millionen Rubel (290.000 Euro), Google 9,5 Millionen Rubel (110.000 Euro), Telegram 5 Millionen Rubel (56.000 Euro) und TikTok 4 Millionen Rubel (45.000 Euro). In die Summen sind teilweise ältere Geldstrafen eingerechnet, die bereits vor Wochen verhängt wurden, deren Höhe aber nicht immer bekannt war.
Unerwünschte Aufrufe zu Demonstrationen
Russland geht seit Monaten gegen Aufrufe im Internet zu nicht genehmigten Protesten vor. Seit Februar gilt ein Gesetz, das Betreiber sozialer Netzwerke dazu verpflichtet, auch nach Informationen über solche Demonstrationen zu suchen und diese dann zu blockieren. Aber auch andere Inhalte müssen selbstständig blockiert werden, etwa Anleitungen zum Herstellen von Drogen, kinderpornografisches Material, Aufrufe zum Suizid und Äußerungen, die die russische Verfassung missachten. Im Fokus stehen aber vor allem die Demonstrationsaufrufe, seit im Internet immer wieder Demonstrationen für den inhaftierten Kremlkritiker Alexej Nawalny verbreitet worden waren.
Für Twitter geht es bei den Maßnahmen der Behörden nicht nur um Geld: Mitte März hatte die russische Telekommunikationsaufsicht Roskomnadsor damit begonnen, die Ladegeschwindigkeit bei Zugriffen auf den Kurznachrichtendienst landesweit zu verlangsamen. Die Drosselung wurde inzwischen für Festnetzanschlüsse beendet, auf Mobilgeräten soll sie aber bestehen bleiben, hatte die Moscow Times vor wenigen Tagen berichtet. Gedroht worden war Twitter zwischenzeitlich sogar mit der Sperrung.
Unterdessen drängen Russlands Behörden immer entschiedener darauf, dass soziale Netzwerke aus dem Ausland Nutzerdaten auf Server in Russland verschieben. Dafür bleibt ihnen Zeit bis Anfang Juli, andernfalls drohen Strafen in Höhe von jeweils 18 Millionen Rubel (rund 200.000 Euro), zitiert die Nachrichtenagentur Reuters. Insgesamt hätten schon mehr als 600 ausländische Unternehmen der Vorgabe Folge geleistet, darunter Apple, Samsung und PayPal, hat demnach ein Sprecher der Telekommunikationsaufsicht erklärt.
(mho)