SAP-Chef Apotheker scheitert an Mitarbeitern und Kunden

Entscheidend für den schnellen Abgang des 56-Jährigen soll auch das belastete Verhältnis zu Aufsichtsratschef Hasso Plattner gewesen sein. Der SAP-Mitgründer gilt auch nach seinem Rückzug vom Vorstandsposten als der starke Mann im Hintergrund.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 70 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Bernd Glebe
  • dpa

SAP-Chef Léo Apotheker hat nach nur neun Monaten an der Spitze des Softwarehauses das Handtuch geworfen. Gescheitert ist Apotheker offensichtlich am Streit über die künftige Strategie des führenden europäischen Softwareherstellers. Ein weiterer Grund ist das massiv geschwundene Vertrauen der Belegschaft. Entscheidend für den schnellen Abgang des 56-Jährigen soll auch das belastete Verhältnis zu Aufsichtsratschef Hasso Plattner gewesen sein. Der SAP-Mitgründer gilt auch nach seinem Rückzug vom Vorstandsposten im Jahr 2003 als der starke Mann im Hintergrund.

Apotheker, der fünf Sprachen fließend spricht, hatte den Weltmarktführer für Unternehmenssoftware in einer Phase übernommen, in der das erfolgsverwöhnte Unternehmens erstmals kräftig ins Trudeln geraten war: Miese Geschäftszahlen in der weltweiten Wirtschaftskrise, einschneidende Sparmaßnahmen und erstmals in der Firmengeschichte ein stattliches Stellenstreichprogramm.

Dass Plattner nach bereits länger schwelender Kritik endgültig die Reißleine zog, hatte aber wohl doch andere Gründe. Zwei Flops werden Apotheker in seiner kurzen Amtszeit als gravierende strategische Managementfehler vorgeworfen: Die seit Monaten immer wieder verschobene Einführung der neuen Mittelstandssoftware "Business by Design" und der heftige, imageschadende Streit mit tausenden Kunden über höhere Wartungskosten.

"Die Neuaufstellung der Unternehmensspitze soll die Produktinnovationen näher mit den Kundenanforderungen zusammenbringen", begründete Plattner denn auch die Ablösung von Apotheker. Übersetzt bedeuten diese dürren Worten eine vernichtende Kritik: SAP hat sich in den vergangenen Monaten von seinen Kunden entfernt.

Nicht weniger gravierend sind die Ergebnisse der jüngsten Mitarbeiterbefragung. Demnach hatte konzernweit nur noch jeder zweite Beschäftigte Vertrauen in den Vorstand, in Deutschland äußerte jeder dritte Mitarbeiter diese Kritik. Die massivsten Vorwürfe lauteten: Zu viel Arbeitsdruck und kaum noch neue Produkte, wie es im Betriebsrat heißt. Auch in der Führungsebene direkt unter dem Vorstand rumore es.

Kein Geheimnis ist, dass Apotheker hinter vorgehaltener Hand im Unternehmen bereits seit Langem sein autoritärer und zuweilen cholerischer Charakter vorgehalten wird. Zwar analytisch brillant, aber auch schonungslos direkt und mitunter frei von Diplomatie, lauteten Charakterisierungen des Managers, dessen Vertrag in diesem Jahr regulär ausgelaufen wäre.

Mit der Rückkehr zur Doppelspitze installiert SAP ein altes Erfolgsmodell: Zusammen mit Firmengründer Dietmar Hopp hatte Plattner das Softwarehaus an die Weltspitze für Unternehmenssoftware geführt. Auch Hopp, der sich mittlerweile mehr als Mäzen um Fußball-Bundesligist 1899 Hoffenheim kümmert, hatte die Führungsmannschaft von SAP kritisch beäugt und zuletzt die negative Stimmung in "seinem" Unternehmen gerügt.

Mit der Ernennung von Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe als neue Co-Vorstandsvorsitzende wird sich der Charakter des Softwarehauses erneut ein Stück verändern. Mit dem Dänen Snabe und dem US-Manager McDermott stehen erstmals zwei Nichtdeutsche an der Spitze des Dax-Konzerns. Die im Frühjahr 2008 eingeläutete zunehmende Internationalisierung im SAP-Vorstand bekommt nun neuen Schwung – und damit auch die Debatte über Zukunft der SAP in Deutschland.

Nach der Einführung eines Betriebsrates bei der Softwareschmiede im Jahr 2006 wurde bereits laut über die Umwandlung in eine Europa AG und die Verlagerung der Walldorfer Konzernzentrale ins europäische Ausland nachgedacht. Auf die Frage nach seinem zentralen Aufenthaltsort antwortete beispielsweise der neue Hoffnungsträger Snabe vor wenigen Monaten: "Wenn mich jemand fragt, wo mein Hauptstandort ist, antworte ich: Lufthansa, Platz 28."

Mit dem neuen SAP-Co-Vorstandsvorsitzenden Jim Hagemann Snabe rückt ein Mathematiker und langjähriger Mitarbeiter des Weltmarktführers für Unternehmenssoftware auf den Chefsessel. Der Däne gehört seit zwanzig Jahren zur SAP-Mannschaft – von 1994 bis 1996 legte er allerdings zwei Jahre beim Computerkonzern IBM ein.

Der 45-Jährige sitzt wie sein Kollege Bill McDermott seit 2008 im SAP-Vorstand und war dort bisher für die Technik und Produktentwicklung zuständig. Zuvor koordinierte er die Arbeit von mehreren tausend Produktentwicklern des Softwareriesen an zahlreichen unterschiedlichen Standorten des Unternehmens.

Seine Karriere bei Europas größtem Softwarehersteller startete Snabe 1990 als Berater in Dänemark. Seitdem durchlief er verschiedene Managementpositionen in der Beratung, im Vertrieb und in der Entwicklung. Neben seiner Muttersprache spricht Snabe fließend Französisch, Deutsch, Englisch und Schwedisch. Er lebt derzeit in Kopenhagen.

Der neue SAP-Co-Vorstandschef Bill McDermott tritt bei Europas größtem Softwarehersteller nicht zum ersten Mal in die Fußstapfen von Ex-Chef Léo Apotheker. Der Amerikaner hatte 2008 Apothekers Posten als Vertriebsvorstand beim Weltmarktführer für Unternehmenssoftware übernommen, als dieser an die SAP-Spitze aufrückte. McDermott kam 2002 zu den Walldorfern und leitete zunächst das Geschäft in den Vereinigten Staaten und in Lateinamerika.

Zuvor arbeitete der 48-Jährige im Vertrieb des Softwareanbieters Siebel Systems, der mittlerweile vom SAP-Konkurrenten Oracle übernommen wurde. Weitere Stationen waren die Marktforschungs- und Consultingfirma Gartner und der US-Druckerspezialist Xerox. Zuvor hatte McDermott Betriebswirtschaftslehre in Illinois und New York studiert. (anw)