SCO vs. Linux: Ein Kessel bunter Dementi

SCO bestätigt die Echtheit des Halloween-Memos, bestreitet aber die Beteiligung von Microsoft an einer Finanzspritze. Mit Lizenznehmern scheint die Firma nicht so recht Glück zu haben, sieht aber die Einigung mit Univention als Erfolg.

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Von
  • Detlef Borchers

Es sollte die große Woche für die SCO Group in ihrem andauernden Streit um angeblich geklauten Source-Code aus Unix System V in Linux und die Urheberrechte an Unix werden: Erst wollte man Firmen präsentieren, die die Antidot-Lizenz bezahlen, die eine Garantie dafür ist, vorerst nicht von SCO verklagt zu werden. Dann sollten die ersten Klagen präsentiert werden, die an Endkunden gehen und die Linux-Anwender in aller Welt verschrecken. Das Ganze sollte eine Bilanzkonferenz krönen, auf der man vom Fortschritt an allen Fronten berichten wollte.

Das Kalkül ging nicht auf: Eine E-Mail, auf den Namen Halloween X getauft, tauchte auf und zerstörte nachhaltig die Dramaturgie von SCO. Obwohl es von SCO Deutschland ein Dementi gab, musste ein SCO-Sprecher mitlerweile die Authentizität dieser Mail zugeben. Dabei schwächte Stowell freilich die Rolle des Absenders Michael Anderer ab. Der Fachmann für geistiges Eigentum sei geistig nicht in der Lage gewesen, die zum Zeitpunkt der Mail laufenden Verhandlungen mit den Investoren von BayStar über eine Finanzspritze von 50 Millionen Dollar einzuordnen, betonte Stowell gegenüber eWeek. In seiner Mail hatte Anderer einen direkten Zusammenhang zwischen BayStar und Microsoft erwähnt. Nach Stowells bestätigendem Dementi folgte Microsoft mit einer Mitteilung, die die Darstellung in der E-Mail als "nicht akkurat" qualifiziert.

Weitere Dementis kommen von den glücklichen Besitzern der IP-Lizenz (Intellectual Property License) von SCO, mit der Firmen das Recht erwerben sollen, Linux trotz des von SCO für sich reklamierten Copyrights einzusetzen. Computer Associates, der drittgrößte Softwarehersteller der Welt, dementierte eindrücklich den Kauf entsprechender SCO-Lizenzen gegenüber der Computerworld Australien. Vielmehr habe man im Rahmen eines Vergleichs von SCO UnixWare-Lizenzen gekauft. Auch die Firma Legett & Platt verneinte die Darstellung von SCO. Es sei wohl möglich, dass in einer entfernten Außenstelle eine Lizenz angeschafft worden sei, doch habe man im Hauptquartier keinerlei Kenntnis von einem Lizenzkauf, erklärte ein Sprecher der Firma. Nur der Gas-Versorger Questar aus Salt Lake City gab zu, eine IP-Lizenz bei der Firma in der Nachbarschaft erworben zu haben. Questar-Sprecher Chad Jones nannte einen Lizenzpreis von 5000 Dollar für die etwa 100 Linux-Server der Firma und bezeichnete die Summe als irrelevanten Betrag.

Ein weiteres Dementi, diesmal ausnahmsweise von der SCO Group, betrifft die Einigung mit der Firma Univention. Über ihre deutsche PR-Agentur verteilte SCO eine Darstellung, die den Vergleich als Erfolg von SCO interpretiert. Die Verfügung untersagte nach Darstellung von Univention der SCO Group unter anderem die Behauptung, dass Linux-Betriebssysteme unrechtmäßig erworbenes geistiges Eigentum von SCO Unix enthalte. In der SCO-Klarstellung zur Einigung mit Univention heißt es: "Vor allem aber ist die Vereinbarung ein Erfolg für SCO Deutschland, weil sie klarstellt, dass SCO Deutschland berechtigt ist, Rechte an Linux in Anspruch zu nehmen, wenn Beweise für die behauptete Urheberrechtsverletzung vorgelegt werden", so Gregory Blepp, Vice President SCOsources.

Gregory Blepp, der momentan auf einer Europatournee für den Kauf von IP-Lizenzen wirbt, erklärte in Spanien, dass man in allen europäischen Ländern darangehen werde, prominente Linux-Endanwender zu verklagen, die keine IP-Lizenz von SCO erwerben. Gegenüber einem deutschen Journalisten behauptete Blepp, man würde durchaus passiv IP-Lizenzen in Deutschland verkaufen, man würde sie nur nicht mehr aktiv bewerben. Diese Aussage des Vizepräsidenten wird indes von der deutschen SCO-Niederlassung bestritten.

Dass SCO mit der "Doppelstrategie" aus Klageandrohung und Lizenzverkauf wenig zimperlich umgeht, sollen Word-Dokumente beweisen, die einer Nachrichtenagentur zugespielt wurden. Microsoft Word, das frühere Fassungen eines Textes mitspeichert, soll im Fall der gegen DaimlerChrysler gerichteten Klage offenbaren, dass die Klage ursprünglich gegen die Bank of America gerichtet war, die genau wie DaimlerChrysler nicht auf ein Anschreiben der SCO Group geantwortet hatte.

Zu den Entwicklungen im Streit zwischen SCO, IBM und der Open-Source-Gemeinde siehe den Artikel auf c't aktuell (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online und aus Technology Review und der c't):

(Detlef Borchers) / (jk)