Safe Harbor: EU-Abgeordnete lehnen Flickschusterei bei Datentransfers ab
Innenpolitiker des EU-Parlaments gehen nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs auf Konfrontationskurs zur EU-Kommission, die nur ein "sichereres" Safe-Harbor-Abkommen aushandeln will. Die USA müssten sich bewegen.
Vertreter fast aller Fraktionen des EU-Parlaments halten den transatlantischen Safe-Harbor-Vertrag, den der Europäische Gerichtshof (EuGH) vergangene Woche gekippt hat, nicht für reformierbar. Sie stellen sich damit gegen das Vorhaben der EU-Kommission, den "sicheren Hafen" für Datenflüsse von Unternehmen aus der EU und in die USA nur unter bereits vorgegebenen Punkten weiter neu zu verhandeln.
Nagelprobe
Die Liberale Sophie in't Veld stellte sich bei der ersten Aussprache im Innenausschuss des EU-Parlaments nach dem Urteil klar gegen die Pläne der Kommission. Denkbar sei allenfalls eine ganz neue Vereinbarung, wie immer diese dann genannt werden sollte. Für die Niederländerin stellt das Urteil die vielzitierten "gemeinsamen Werte" mit den USA "auf die Nagelprobe". Unter der klaren Ansage der Luxemburger Richter, dass die europäischen Grundrechte eingehalten werden müssten, könne die EU nicht "unten durchtauchen".
Laut in't Veld muss Brüssel auch baldmöglichst erklären, was das Urteil für andere Übereinkünfte etwa zum Transfer von Fluggast- und Finanzdaten oder das öffentliche Beschaffungswesen für IT-Dienste bedeutet. Der Kommission warf sie vor, den "Lackmustest" auf die Grundrechte nicht überstanden zu haben, obwohl das Parlament bereits mehrfach das Aus für Safe Harbor gefordert habe. Jetzt müssten sich auch die US-Behörden bewegen.
Turbulenzen
Die Liberale zeigte mit dem Finger aber auch auf die Abgeordneten: "Wir können es nicht einem einzigen hartnäckigen Bürger überlassen, das System infrage zu stellen." Viele Parlamentarier dankten dem österreichischen Studenten Max Schrems, der das EuGH-Verfahren mit einer Klage gegen Facebook ins Rollen gebracht hatte. Man brauche eine "bessere Gesetzgebung, um nicht dauernd in diese Turbulenzen zu geraten", meinte Schrems Landsmann Josef Weidenholzer von den Sozialdemokraten.
Der grünen Innenexperte Jan Philipp Albrecht stellte der Kommission ein "Armutszeugnis" dafür aus, dass sie "einfach ein Safe Harbor plus" zur Debatte gestellt habe. Sie sollte gegenüber dem "lieben US-Partner" klarstellen, dass nicht "auch nur ein Jota an der Grundrechtecharta” geändert werde. Andere Abgeordnete sprachen von einer "Revolution" und einer "katalysatorischen Wirkung", die der Richterspruch auslösen dürfte.
Neue Strategie
Der Ausschussvorsitzende Claude Moraes (Labour) rief nach einer "neuen politischen Strategie gegenüber den Vereinigten Staaten". Er habe für die dringliche Debatte über die weiteren Schritte Justizkommissarin Věra Jourová Ende Oktober in das Gremium einbestellt. (vbr)