Salesforce: Die KI-Agenten kommen

KI-basierte Copiloten sind passé: Salesforce zeigt mit Agentforce 2.0 KI-Agenten, die nicht nur Antworten geben, sondern auch Aufgaben erledigen.

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(Bild: Jonathan Weiss/Shutterstock.com)

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Von
  • Harald Weiss
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Der Kampf im SaaS-Geschäftsfeld um die KI-Vorherrschaft spitzt sich zu und die Entwicklung beschleunigt sich. Analysten sprechen bereits von der dritten KI-Welle. Die erste war die prädiktive KI, dann kam der große Durchbruch mit generativer KI (GenKI) und jetzt hat die Phase der KI-Agenten begonnen. Das sind im Gegensatz zu den Copiloten komplexe, individuelle KI-Apps die nicht nur Antworten geben, sondern auch völlig autonom Entscheidungen treffen und Aufgaben erledigen. "GenKI generiert nur Text nach einer Aufforderung", heißt es in einem Bericht von Gartner, "KI-Agenten handeln dagegen anhand von Wissen, Umständen und Regeln völlig autonom." Gartners Analysten meinen, dass bis 2028 rund ein Drittel aller Unternehmensanwendungen solche KI-Agenten enthalten werden.

Salesforce-CEO Marc Benioff spricht in diesem Zusammenhang bereits von digitalen Mitarbeitern (Digital Labor), die schon bald in allen Branchen weltweit zum Einsatz kommen werden. Anlass für diese kühne Einschätzung war die Ankündigung von Agentforce 2.0. Laut Benioff lassen sich damit unbegrenzt viele digitale Arbeitskräfte schaffen, die die menschliche Belegschaft ergänzen können. "Um die nächste Produktivitätsstufe zu erreichen, brauchen wir KI-Agenten, die aktiv sind und nicht nur reagieren können", sagt Adam Evans, Executive Vice President und General Manager für KI bei Salesforce. Seiner Ansicht nach kann Agentforce 2.0 die Abhängigkeit von menschlichen Mitarbeitern für Routineaufgaben erheblich reduzieren und gleichzeitig eine kontinuierliche Effizienz und Genauigkeit in vielen Business-Bereichen gewährleisten.

Salesforce verweist dabei auf den eigenen internen Einsatz beim Helpdesk. So finden auf help.salesforce.com normalerweise rund 32.000 Gespräche pro Woche mit einer Lösungsrate von 83 Prozent statt. Vor Agentforce wurden etwa 10.000 Gespräche an menschliche Agenten weitergeleitet, doch mit Agentforce 2.0 habe sich diese Zahl halbiert. Jetzt erforderten nur noch 5.000 Gespräche eine menschliche Beteiligung, da KI-Agenten die restlichen Anfragen komplett lösen können.

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Inzwischen gibt es viele Beispiele für den Einsatz solcher KI-Agenten. Einige trug Salesforce im Rahmen der Produktankündigung vor. So hilft ein KI-Agenten in der Sales Cloud die Leads aktiv nachzuverfolgen, Vertriebspotenzial zu qualifizieren und zielorientierte Pitches zu generieren. Mit KI-Agenten in der Marketing Cloud lassen sich personalisierte Kampagnen erstellen, die auf den bisherigen Kundeninteraktionen basieren und eine bessere Segmentierung erlauben, was die Effektivität steigert. Oder: Ein Bewerber-Agent scannt die Lebensläufe von Bewerbungen wählt die für eine Job-Beschreibung geeignetsten Kandidaten. Über diese Vorauswahl informiert er die Personalabteilung, wo eine weitere Auswahl stattfindet. Danach "übernimmt" der Agent wieder den Job, um das Vorstellungsgespräch zu organisieren und den Interviewer mit geeigneten Fragen auf jedes Gespräch individuell vorzubereiten. Ein anderes Beispiel kommt von der kanadischen Bank RBC. Hier lautet die beispielhafte Fragestellung: "Wie wirken sich fallende Zinsen auf das Portfolio eines bestimmten Kunden aus?" Die Antwort dazu ist mehrstufig und berücksichtigt unterschiedliche Zukunfts-Szenarien, inklusive den optimalen Umschichtungsmaßnahmen.

Um solche Aufgaben zu erledigen, muss der Agent über bestimmte vordefinierte Handlungsfeatures, also Skills verfügen. Hierzu bietet Agentforce 2.0 bereits eine umfangreiche Bibliothek an, die das Erstellen eines Agenten erheblich beschleunigt. Derzeit umfasst die Bibliothek Funktionseinheiten für die Salesforce-Module CRM, Slack., MuleSoft und Tableau sowie weitere, die von Partnern entwickelt und im AppExchange angeboten werden.

Technologisch basiert Agentforce 2.0 auf vier zentralen Elementen: Der Data Cloud, dem Analytics-Tool Tableau, den MuleSoft-Konnektoren und der neuen semantischen Analyse-Engine Atlas-Reasoning. Die Data Cloud erlaubt den Zugriff auf alle im Unternehmen verfügbaren Daten, ohne dass diese umgespeichert werden müssen. Tableau Topics und Actions bieten Datenvisualisierung und Prognosen, um die Agentenergebnisse besser zu verstehen. Tableau Semantics liefert präzisere Antworten mit umfassendem Kontext. MuleSoft ist eine API-basierte Integrationsplattform mit vielen vordefinierten APIs, sogenannten Konnektoren. Neu ist das Erstellen neuer APIs in natürlicher Sprache. Das wesentliche Element ist jedoch die Atlas-Reasoning-Engine, die Knowledge Graphs und rekursive Baumstrukturen einsetzt sowie eine erweiterte Indizierung mit Multi-Intent-Reasoning.

Die gestellten Fragen werden zunächst evaluiert, die erforderlichen Daten und Metadaten anschließend aus der Data Cloud abgerufen. Die Antwort wird in der Agentic Loop mit verschiedenen Tools und Quellen verifiziert, um ein vertrauenswürdiges und fundiertes Ergebnis zu erzielen. Die Data Cloud reichert dafür die via RAG abgerufenen Datenfragmente um Metadaten aus der Salesforce-Plattform an. So kann sich Agentforce 2.0 besser an die spezifischen Gegebenheiten eines Unternehmens anpassen und präzise und relevante Antworten liefern, einschließlich detaillierter Quellenangaben und -zitate.

Im Agent Hub oder durch die @-Erwähnung kann Agentforce in jeder Slack-Konversation aufgerufen und direkt in den Workflow eingebunden werden. Vorgefertigte Slack-Aktionen wie "Erstelle ein Canvas” oder "Informiere den Channel” beschleunigen die Anpassung oder die Erstellung neuer KI-Agenten. "Slack ist die Salesforce-zentrierte App die jeden Morgen als erstes geöffnet wird, das macht sie zum natürlichen Ort für Agentforce", sagt Slack-CEO Denise Dresser. "Von dort aus können Mitarbeiter mit KI-Agenten zusammenarbeiten, um Informationen über alle Salesforce-Apps und die externen Systeme hinweg zu erhalten", so Dresser weiter. Damit wird Slack zunehmend zum Knotenpunkt für die gesamte Kommunikation – also nicht nur zwischen Personen, sondern jetzt auch mit den KI-Agenten.