Scharfe Angriffe auf Microsoft-Richter

Am zweiten Tag der Berufungsverhandlung im Microsoft-Prozess konnte der Software-Konzern einige Punkte für sich verbuchen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Mit einem scharfen Angriff auf Richter Thomas Penfield Jackson hat Microsoft seinen Kampf gegen die Zerschlagung des Software-Konzerns am zweiten Tag der Berufungsverhandlung im Kartellprozess fortgesetzt. Der Richter der ersten Inszanz habe das Unternehmen nur bestrafen wollen und nicht in erster Linie den fairen Wettbewerb im Auge gehabt, erklärten die Microsoft-Anwälte vor dem Berufungsgericht in Washington.

Am zweiten Tag der mündlichen Verhandlung des Microsoft-Berufungsverfahrens gerieten die Anwälte der US-Regierung und der 19 klagenden Bundesstaaten zumindest vorübergehend in die Defensive. Die Richter des Gerichtshofs bezweifelten rundheraus, dass Netscape durch die Aktionen von Microsoft signifikant beeinträchtigt worden sei. Da die Webbrowser kostenlos abgegeben würden, könnte Microsoft Netscape auch kaum geschadet haben. Richter David Sentelle meinte, angesichts dieser Situation könne man kaum einen bestimmten Markt für Webbrowser definieren. Demnach könne auch nicht festgestellt werden, ob Microsoft seine Monopolstellung missbraucht habe.

Der US-Bundesanwalt David Frederick musste dies einräumen, hielt jedoch dagegen, dass das Gericht nun die Gelegenheit habe, den Markt zu definieren und die Aufspaltung des Konzerns zu bestätigen. Frederick argumentierte, Microsoft habe seinen Konkurrenten Netscape daran gehindert, seinen Browser in eine vollständige Software-Plattform weiter zu entwickeln. Microsoft habe eine Konkurrenz zu seinem Betriebssystem Windows gefürchtet. Durch die Verknüpfung des Internet Explorer mit Windows habe Microsoft den Wettbewerb auf dem Markt verhindert, sagte Frederick.

Die Microsoft-Anwälte warfen ihrerseits Richter Jackson Befangenheit vor. Er habe nicht nach Faktenlage, sondern nach Vorurteilen geurteilt. Der Richter hatte Microsoft-Gründer Bill Gates öffentlich mit Napoleon verglichen und ihm Arroganz vorgeworfen. Jackson sei "von einem illegitimen Wunsch" geleitet worden, Microsoft zu bestrafen, betonte Microsoft-Anwalt Steven Holley.

Insgesamt scheint Microsoft bislang einige Punkte für sich verbuchen zu können, besonders in der Frage, ob eine Aufspaltung des Konzerns nicht eine viel zu harte Bestrafung sei, die zudem den Wettbewerb in der Software-Industrie verfälsche. Auch bezweifeln einige Richter offensichtlich, dass Netscape überhaupt eine ernsthafte Konkurrenz für Microsoft war, da die Firma gar nicht in der Lage gewesen sei, eine komplette Systemplattform zu entwickeln, die Windows bedrohlich hätte werden können. Auch das Bundling von Internet Explorer und Windows scheinen die Richter nicht besonders kritisch zu sehen, da es den Verbrauchern zu Gute komme – Argumente, die auch Microsoft anführt. Allerdings haben die Regierungsanwälte offensichtlich zumindest das Argument auf ihrer Seite, dass es keine technischen Gründe gebe, Microsofts Webbrowser und das Betriebssystem so eng wie bislang miteinander zu verzahnen. Das Berufungsgericht wird aber auch am zweiten und letzten Sitzungstag in der mündlichen Berufungsverhandlung noch kein Urteil fällen. (jk)