Schweizer Covid-Warn-App wird (vorerst) eingestellt

Seite 2: Nutzen von Contact Tracing begrenzt – aber erwiesen

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Wie am Big-Data-Institut der Universität Oxford vor fast zwei Jahren erforscht wurde, braucht es für den Stopp einer Epidemie rund 60 Prozent einer Bevölkerung, die eine Contact-Tracing-App nutzen. Doch auch wenn nur 15 Prozent eine Warn-App nutzen, könne die Zahl von Ansteckungen und Todesfällen reduziert werden.

Insofern haben die international eingesetzten Contact-Tracing-Apps auf alle Fälle eine positive Wirkung entfaltet. Das bestätigen auch diverse Studien, etwa die von Viktor von Wyl. Professor für Digtal and Mobile Health an der Universität Zürich, der an verschiedenen Studien zur SwissCovid-App beteiligt war. Diese leistet einen relevanten Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie, so sein Fazit schon Anfang 2021. Er konnte aufzeigen, dass Kontaktpersonen mit einem Ansteckungsrisiko außerhalb des eigenen Haushaltes sich etwa einen Tag früher in Quarantäne begaben, wenn sie eine Warnung via App erhielten – im Vergleich zu Personen ohne Warnung. "Wobei bereits ein Unterschied von einem Tag, wie durch verschiedene Modellierungen gezeigt, einen Einfluss auf den Pandemieverlauf haben kann", wie er damals schrieb.

Ursprünglich wurde die Kerntechnik der SwissCovid-App – damals noch das DP3T-Protokoll genannt – von einem internationalen Konsortium entwickelt, unter maßgeblicher Beteiligung von Forschern der Eidgenössischen Technischen Hochschulen Lausanne (EPFL) und Zürich (ETHZ). DP3T (Decentralized Privacy-Preserving Proximity Tracing) wurde als Gegenentwurf zum deutschen Projekt PEPP-PT bekannt, welches am Ende eingestellt wurde. Der mit DP3T verfolgte Ansatz von Dezentralität und "Privacy-by-Design" hatte sich damals im Wettstreit der Konzepte gegen das zunächst auch von der deutschen Bundesregierung unterstützte PEPP-PT durchgesetzt, welches einen zentralisierten Ansatz anvisierte.

Eine Variante des DP3T-Protokolls wurde dann schließlich Teil der Exposure Notification API von Google und Apple für ihre jeweiligen Betriebssysteme, unter denen die Warn-Apps auf den Smartphones laufen.

Marcel Salathé, Professor für digitale Epidemiologie an der EPFL und Mitentwickler des Schweizer Proximity-Tracing-Systems, zieht in den Medien ein generell positives Fazit, befindet die SwissCovid-App als grundsätzlich nützlich und technisch funktional. Kritisch sieht er jedoch, dass die App vom Bund weder weiterentwickelt noch angepasst wurde. "Es ist bedenklich, dass in der Schweiz eine Technologie, deren Nutzen wissenschaftlich mehrmals aufgezeigt wurde, so auf der Seite liegen gelassen wurde." Zumindest hätte man die Parameter an die neuen Viren-Varianten anpassen sollen, findet der Professor der ETH Lausanne.

Auch die Integration der App kritisiert er als sehr schwierig. "Die Schweiz hat leider kein sehr gutes digitales Umfeld im öffentlichen Gesundheitswesen." Beispielsweise gab es immer wieder Probleme bei der Versendung der einzugebenden Covid-Codes durch die Gesundheitsämter: Sie kamen zu spät oder gar nicht. Viele User der App resignierten. Aber manch andere hingegen gaben ihre erhaltenen Covid-Codes nicht ein.

Im März 2022, als die Infektionszahlen durch Omikron BA.2 wieder in die Höhe schossen, wurden dennoch an manchen Tagen bis zu 2000 Covid-Codes eingegeben. Sonst lagen die Zahlen seit der Einführung im Juni 2020 meist zwischen 100 und 1000. Allerdings funktionierte die SwissCovid-App außerhalb der Schweiz nur in Liechtenstein und in Deutschland, da es Probleme für das Land als Nicht-EU-Mitglied bei der Interoperabilität mit dem europäischen System gab.

Das DP3T-Projekt war letztendlich auch ein Projekt der Schweizer Nationalen Covid-19 Science Task Force, einem wissenschaftlichen Beratungsgremium für den Kampf gegen die Pandemie. Ende März wird nun auch diese aufgelöst – zusammen mit allen anderen Corona-Maßnahmen und der SwissCovid App.

(tiw)