Schweizer Fernsehen: Umstellung auf UHD kommt etappenweise – und nicht vor 2024

Die Einführung von UHD/4K beim Schweizer Fernsehen hat noch nicht begonnen, doch erste Schwierigkeiten gab es bereits. Ein Strategiewechsel war nötig.

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(Bild: Everton Eifert/Shutterstock.com)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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Eigentlich sollte 2021 die Zukunft beginnen. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) will ihr Programm zukünftig auch in Ultra-HD/4K (UHD) verbreiten. Die notwendigen Vorbereitungen laufen bereits seit ein paar Monaten. Eigentlich sollte im nächsten Jahr die Ausstrahlung über Satellit auf UHD umgestellt werden, hieß es zuletzt. Eigentlich.


Dann überrollte das SARS-CoV-2-Virus die Welt und brachte auch die Pläne der SRG durcheinander. Technische und Vertriebsprobleme behinderten die "UHD Ready"-Strategie. So reagierte der Schweizer Elektronikgerätehandel skeptisch: Die Händler signalisierten, "dass der Markt noch nicht bereit ist", sagt SRG-Unternehmenssprecher Edi Estermann. Noch nicht bereit für einen neuen Codec.

Anfang des Jahres hatte die SRG angekündigt, ab 2021 ihr Programm über Satellit mit einem neuen Videocodec auszustrahlen. Es ging vor allem auch um Einsparpotenziale. Mit UHD wird der neue Codec HEVC/H.265 den alten Standard MPEG4/H.264 ablösen. Doch H.265 kann auch bei Full HD (1080p50 mit 1920×1080 Pixel bei 50 Vollbildern) die Datenmenge dank einer effektiveren Komprimierung spürbar eindampfen. Das bietet sich an, denn die SRG will in wenigen Jahren nicht nur die Bildqualität auf dem Satelliten deutlich steigern, sondern auch einen von zwei Transpondern einsparen. Und dazu muss die Datenrate pro Sender reduziert werden.

Auch erheblich weniger Budget steht der quasi öffentlich-rechtlichen Anstalt unlängst zur Verfügung. Zum einen reduzierten sich die Werbeeinnahmen (aktuell auch deutlich wegen der Corona-Krise), außerdem hatte die SRG nach der Volksabstimmung im Frühjahr 2017 versprochen, weniger Geld auszugeben, als die "No Billag"-Initiative das gebührenfinanzierte Radio und TV abschaffen wollte. 


Um einen Transponder stilllegen zu können, werden die SRG-Programme auf dem abzuschaltenden Transponder TR 17 im 2. Quartal 2021 mit den Programmen des Transponders TR 123 gebündelt, neu konfiguriert und als sogenannter MPTS (Multiple Program Transport Stream) ausgespielt. Dadurch reduziert sich die Datenrate pro Kanal "mithilfe statistischen Multiplexings" (SRG) auf knapp 6 Mbit/s. Interne Tests hätten belegt, dass die Bildqualität "vergleichweise gut und nahezu gleich" wie gewohnt sei. Bisher hatte ein Programm über Satellit gut 10 Mbit/s zur Verfügung. Ebenfalls auf dem neu konfigurierten MPTS sind die 25 SRG-Radioprogramme und ein überarbeitetes HbbTV-Angebot.

"Weiterverbreiter" (WV) der Radio- und TV-Programme – etwa die Kabelnetzbetreiber oder IPTV-Anbieter – die vordem das Satellitensignal übernommen haben, haben dazu noch eine neue Alternative. Seit diesem Jahr stellt die SRG ihre beiden Satelliten-Transportströme zusätzlich leitungsgebunden aus zwei Rechenzentren zur Verfügung, wo die Weiterverbreiter sie über Glasfaser abnehmen und zum Beispiel in die Kopfstationen der Kabelnetze einspeisen können. Das neue Angebot – "Weiterverbreiter-Playout" (WVPO) wird es genannt – nehmen grosse IPTV- und Kabel-TV-Anbieter bereits wahr.

Der neue MPTS – immer noch mit H.264 codiert und in 720p50-Auflösung – wird im Frühjahr 2021 ebenfalls "auf die Leitung" gespiegelt. Im WVPO gibt es dann leitungsgebunden bis auf Weiteres das gleiche Angebot wie über Satellit: den MPTS plus die beiden bisherigen Transportströme (vormals TR 17 und 123). So kann die SRG den Wechsel vor allem für kleinere Kabelnetzbetreiber und IPTV-Anbieter möglichst einfach gestalten, erläutert SRG-Sprecher Niklaus Kühne. Die Neuordnung der Satelliten-Streams könnte sonst Mehrarbeit in den Headends der Weiterverbreiter verursachen. Stattdessen könnten Verbreiter dann ganz einfach vom Satellitensignal (DVB-S2) auf das Leitungsangebot umschalten.

Dieser MPTS wird voraussichtlich erst ab 2024 auf H.265 und Full HD umgestellt werden, sowohl auf dem Satelliten, als auch auf der Leitung.
 Mittlerweile zeichnet sich auch ab: Die Satelliten-Plattform wird schließlich sogar als letzte den neuen Codec H.265 nutzen. Und eine Umstellung der Satelliten-Distribution auf UHD steht vorerst komplett in den Sternen. Was ohnehin keine grosse Tragödie ist, denn aktuellen Zahlen zufolge schauen nur rund fünf Prozent der Schweizer das SRG-Programm über Satellit.


Doch um bei den vorgesehenen Umstellungen ganz sicher zu gehen, heißt es abwarten. Je nach Marktentwicklung werde die Umstellung auf H.265 angepasst, sagt etwa SRG-CTO Damien Corti gegenüber heise online. "Bei einer Planung mit mehreren Jahren Planungshorizont liegt es in der Natur der Sache, dass man periodisch überprüft, ob die ehemaligen Erwartungen noch zutreffen oder eventuell zu revidieren sind."

Und in diesen bewegten Zeiten ist das vielleicht auch besser so. Diverse große Events, mit denen die SRG für UHD werben wollte, fallen bzw. fielen coronabedingt bereits bis auf weiteres aus. Fußball-Europameisterschaft und Olympische Spiele etwa wurden verschoben. Nichtsdestotrotz plant die SRG in ihrer UHD-Strategie bis 2024 soweit als möglich von vielen Ereignissen Specials in einem eigenen "UHD-Event-Kanal" auszustrahlen, wobei den WV die Möglichkeit geboten werde, diese Inhalte in UHD zu übernehmen.


All dessen ungeachtet sollen viele Zuschauerinnen und Zuschauer der SRG-Sender trotzdem schon bald in den Genuss höherwertigerer Bildqualität kommen können. Ab Anfang 2021 können Swisscom, UPC & Co. im WVPO der SRG Datenströme unterschiedlicher Qualität und Übertragungsrate direkt beziehen. Zur immer noch vorgesehenen Alpinen Ski-WM in den Dolomiten im Februar 2021 soll es mit Full HD losgehen. Geplant sind demnach nicht nur Veränderungen beim Videocodec, sondern auch eine "deutliche Verbesserung der Bildwiedergabe, bei der nahezu selben benötigten Bandbreite wie für HD" (SRG). Damit gemeint sind eine Optimierung des Farbvolumens, also die Integration von HDR (High Dynamic Range) und BT.2020 (erweiterter Farbraum) sowie ein Anstieg der Farbtiefe von 8 auf 10 Bit.


Diese verbesserten Programmsignale sollen dann jeweils als Single Transport Stream (SPTS) in Full HD und H.265 encodiert von den Weiterverbreitern abgeholt werden können. Alsdann wird jeder einzelne der sieben SRG-Sender als separater Datenstrom per Multicast und individueller Adresse sowie unter Verwendung von CBR (Constant Bitrate) an die Set-Top-Box (STB) der Zuschauer übermittelt. "Durch CBR wird ein Stream in hoher Qualität und mit stetig gleich bleibender Bitrate und Codierung produziert und weiterverbreitet", erläutert Ingmar Schmidt von Swisscom.