NZZ: Schweizer Zeitungen durch Cyberangriff massiv beeinträchtigt

Ransomware zwingt die Neue Zürcher Zeitung, über Ostern ihre Systeme für die Produktion abzuschalten. Das betrifft auch andere mit ihr verbundene Lokalmedien.

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(Bild: Photo Kozyr/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich

Das Medienunternehmen NZZ (Neue Zürcher Zeitung) musste seine Systeme für die Zeitungsproduktion abschalten, berichtete gestern die Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Bereits seit rund zwei Wochen hat die NZZ erheblich mit einer Ransomware-Attacke zu kämpfen. Von dem Cyberangriff sind und waren laut Medienberichten und eigenen Aussagen eine Reihe von Systemen und Dienste der NZZ-Infrastruktur betroffen. Zwar konnte laut NZZ die Cyberattacke frühzeitig erkannt und isoliert werden und die NZZ-IT zog die Hilfe von externen Spezialisten und Experten des Nationalen Zentrums für Cybersicherheit (NCSC) sowie der Kantonspolizei Zürich hinzu. Die Situation ist aber offensichtlich immer noch nicht bereinigt.

Als Folge der Cyberattacke standen unter anderem das Intranet und die Dienste der Personalabteilung nicht mehr zur Verfügung. Gedruckte NZZ-Ausgaben sind teils nur in leicht reduziertem Umfang erhältlich, auch die elektronische Ausgabe (E-Paper) war stellenweise betroffen. Zu Ostern nun fuhr die NZZ (eine der ältesten kontinuierlich erscheinenden Zeitungen weltweit, Erstausgabe Januar 1780) ihre Zeitungsproduktion komplett herunter und produzierte die Samstagsausgabe bereits am Donnerstag. Aber auch diese umfasst mindestens 10 Seiten weniger im Vergleich zu anderen Samstagsausgaben.

Ebenso wurden bei diesem Cyberangriff andere Medienunternehmen in Mitleidenschaft gezogen: etwa Le Temps, eine französischsprachige Tageszeitung, die in Genf erscheint. Die NZZ steuert die Print- und Digitalvermarktung von Le Temps, weshalb es dort vorübergehend zu Komplikationen bei der Anzeigenabwicklung kam, allerdings ohne Auswirkungen auf die finale Produktion, wie das Schweizer Medienfachblatt persoenlich.com berichtet.

Aufgrund der Cyberattacke gab und gibt es auch erhebliche Probleme für CH Media, ein Joint Venture der Deutschschweizer AZ Medien und NZZ-Regionalmedien. Wegen der Ransomware-Probleme kann CH Media nicht auf für ihre Produktion wichtige Dienste der NZZ zugreifen, etwa verschiedene Informatik-Dienstleistungen. Das führte bereits zu Schwierigkeiten und Einschränkungen: "Notausgaben, Notsendungen, Notprogramme" umreißt es persoenlich.com.

Beispielsweise konnten ebenfalls am Ostersamstag statt 16 unterschiedlichen lokalen Tageszeitungsausgaben von CH Media nur vier Ausgaben produziert werden, wie das Unternehmen mitteilte. Tageszeitungen aller drei Großregionen Nordwestschweiz, Ostschweiz und Zentralschweiz seien demnach betroffen. Online und über die App wären alle publizistischen Inhalte abrufbar. Zu CH Media gehören unter anderem die Aargauer Zeitung, die Luzerner Zeitung oder das Onlineblatt Watson sowie rund 80 weitere Marken.

Wie Keystone-SDA bereits früher berichtete, musste anfangs auch das zur CH Media gehörende Radio FM 1 eine Woche lang aus einem Studio in Zürich senden – statt aus dem üblichen Studio in St. Gallen. Denn dort „wurden Datenbanken, Studiorechner, Servicerechner und Clients kompromittiert“, zitiert persoenlich.com aus einer internen Mail. Der Betrieb in St. Gallen sei nicht mehr möglich gewesen.

Erfolgreiche Ransomware-Attacken führen dazu, dass der Zugriff auf IT-Systeme gesperrt ist und/oder Daten verschlüsselt werden, um Unternehmen zu erpressen und Lösegeld zu verlangen. Wie Keystone-SDA unter Berufung auf Verlagskreise berichtete, wurde auch bei der NZZ-Attacke eine Lösegeldforderung gestellt. Beide Medienunternehmen nahmen dazu keine Stellung. Die NZZ selbst dementiert aber nicht, dass sie erpresst wird, wie Radio SRF berichtet.

Zur Zeit ist offen, wie lange noch die Effekte des Hackerangriffs andauern werden. Aufgrund der „rollenden Entwicklung“ könne man keine Angaben dazu machen, teilte die NZZ mit. Auch zu weiteren Auswirkungen auf die CH-Media-Titel dürfe man gegenwärtig nicht weiter informieren, da dies Bestandteil einer laufenden Untersuchung sei, liess das Unternehmen laut SDA-Keystone verlauten.

(tiw)