Sicherheitspaket: Ampel ist für biometrische Überwachung und Big-Data-Analysen

Die Koalition hat sich auf Nachbesserungen am Regierungsentwurf für ein Sicherheitspaket geeinigt. Dabei geht es vorrangig um klarere Vorgaben.

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Bundestag

Reichstagsgebäude in Berlin.

(Bild: dpa, Thalia Engel/Illustration)

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Das von der Bundesregierung nach dem tödlichen Solinger-Messerangriff im August präsentierte Sicherheitspaket kommt – aber mit leichten Einschränkugen bei den eingeschränkten Überwachungsrechten. "Wir konnten im Gesetz verankern, dass ein nachträglicher biometrischer Abgleich mit Internetdaten nicht gegen Personen zum Einsatz kommen darf, von denen keine Gefahr ausgeht", betont der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz in einer heise online vorliegenden Bewertung der Verhandlungsergebnisse der Regierungsfraktionen. Zuvor hatte der Innenpolitiker zusammen mit seinen Kollegen Dirk Wiese (SPD) und Konstantin Kuhle (FDP) am Freitag mitgeteilt, dass sich die Koalition auf Korrekturen am Regierungsentwurf verständigt habe.

Prinzipiell bleibt es nach der Übereinkunft bei der von der Exekutive geplanten Befugnis zum biometrischen Abgleich von allgemein öffentlich zugänglichen Internetdaten, beispielsweise zur Gesichtserkennung. Ziel der heftig umkämpften und bislang vagen Initiative ist es, Ermittlern die Identifizierung von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen zu erleichtern. Außenvorbleiben sollen nun etwa Zeugen und Opfer, bei denen kein schutzwürdiges Interesse besteht. Bundeskriminalamt (BKA), Bundespolizei und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dürfen laut von Notz bei der digitalen Analyse "auch nur mit Anbietern zusammenarbeiten, die einen Hauptsitz im Schengen-Raum und der EU haben". Eine Datenübermittlung an Drittstaaten mit schlechteren Schutzniveaus sei so ausgeschlossen.

Die Regierung wollte auch die "automatisierte Analyse polizeilicher Daten durch das BKA und die Bundespolizei" gestützt durch KI sowie das Testen und Trainieren von Daten für KI-Anwendungen im Stil von Palantir & Co. erlauben. Konkret bedeutet dies, dass die große Zahl an polizeilichen Datenbanken virtuell zusammengeführt und automatisiert durchsucht werden kann. Dabei gibt es Bedenken, dass die Unschuldsvermutung verloren geht. Die Koalition beschränkt diese neuen Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden nun dem grünen Papier zufolge "auf die Verfolgung oder Verhinderung schwerster Straftaten" – wie Mord- und Totschlag, schweren Raub oder die Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Die Regierung soll ferner den "verfassungs- und europarechtskonformen Einsatz" aller neuer Kompetenzen zunächst "durch eine Rechtsverordnung vorzeichnen". Sie muss die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider dabei beteiligen. Die Kontrollrechte der Aufsichtsinstanz über die eingesetzten Systeme "haben wir deutlich verbessert", hebt von Notz hervor. Insgesamt sei es den Grünen gelungen, trotz schlechter Ausgangssituation "zahlreiche sehr relevante" Korrekturen durchzusetzen. Diese gewährleisteten die tatsächliche Anwendbarkeit und erhöhten die Effektivität vieler Normen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich trotz der Änderungen überzeugt, das Paket sei "nach dem mörderischen Anschlag von Solingen die richtige Antwort auf die erheblichen aktuellen Bedrohungen insbesondere durch islamistischen Terrorismus". Der Liberale Kuhle sprach von einer moderaten Erweiterung der Polizeikompetenzen, die die Grundrechte achte. Die konkreten Korrekturanträge sind noch in Arbeit. Sie sollen aber schon am kommenden Mittwoch im Eiltempo den Innenausschuss des Parlaments und in den nächsten beiden Tagen die Plenarversammlungen von Bundestag und Bundesrat passieren.

Experten bewerteten die ursprünglichen Vorschläge bei einer Anhörung im September zurückhaltend bis ablehnend. Specht-Riemenschneider mahnte: Befugnisse für derart grundrechtsintensive Maßnahmen dürften nicht übereilt geschaffen werden. So wiesen alle vorgesehenen Normen zur Gesichtserkennung zu unscharfe Tatbestandsmerkmale auf und ermöglichten erhebliche Eingriffe in die Rechte unbeteiligter Personen. Der Bremer Informationsrechtler Dennis-Kenji Kipker warnte vor einem "sicherheitsbehördlichen Daten-Supergau". Aus der Zivilgesellschaft liefen Chaos Computer Club (CCC) & Co. Sturm gegen die geplante "biometrische Rundum-Überwachung".

(usz)