Siemens treibt Neuausrichtung voran

Der Elektrokonzern baut seine Position in der Medizintechnik aus und übernmmt Bayer-Diagnostik.

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  • dpa

Der Siemens-Konzern baut seine Weltmarktposition in der Medizintechnik mit der 4,2 Milliarden Euro teuren Übernahme der Bayer-Diagnostiksparte deutlich aus. "Die Übernahme ist für uns ein konsequenter Schritt in Richtung profitables Wachstum", sagte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld am Freitag in München. Für Siemens ist es bereits die zweite milliardenschwere Transaktion innerhalb von nur knapp zwei Wochen nach der Zusammenlegung der Telekommunikationssparte mit dem finnischen Telekomkonzern Nokia.

Der Siemens-Medizintechnikbereich Medical Solutions werde zum weltweit ersten Unternehmen, das alle Schritte unter einem Dach vereine, von der Prävention über die Diagnostik und Therapie bis hin zur Pflege. Siemens schaffe sich damit ein Wachstumsfeld und könne so nicht nur Arbeitsplätze stabilisieren, sondern auch neue schaffen, sagte Kleinfeld. Siemens und Bayer hatten am Donnerstagabend angekündigt, dass die Münchner die Diagnostiksparte des Leverkusener Konzerns übernehmen. Bayer verschafft sich so mehr Luft für die geplante Übernahme des Berliner Pharmaunternehmens Schering, die fast 17 Milliarden Euro kostet. Bayer fließen aus dem Verkauf nach Abzug der Steuern etwa 3,6 Milliarden Euro in die Kasse. Am Freitag gehörten die Aktien beider Unternehmen an der Börse zu den Gewinnern. Bayer-Titel standen dabei aber an der Spitze und zogen zeitweilig um 5,12 Prozent auf 36,14 Euro an, der Siemens-Kurs legte unterdessen um fast ein Prozent auf 68,17 Euro Euro zu.

Der Siemens-Konzern stärkt mit dem Kauf seine Weltmarktposition in dem Wachstumsmarkt Molekulardiagnostik. Dieser konzentriert sich insbesondere auf die Genanalyse. Mit einem Abschluss der Transaktion sei voraussichtlich im ersten Halbjahr 2007 zu rechnen. Die Kartellbehörden müssen aber noch zustimmen. Er rechne aber nicht mit größerem Widerstand, sagte Kleinfeld. Nun gehe es darum, die Integration sorgfältig umzusetzen. Die Bayer-Sparte HealthCare Diagnostics hatte im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 8,4 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro verbucht und beschäftigt mehr als 5000 Mitarbeiter weltweit. Siemens hatte erst kürzlich bei der geplanten Übernahme der amerikanischen Medizintechnik-Firma Diagnostic Products (DPC) die kartellrechtlichen Hürden genommen. Der Konzern will das US-Unternehmen für rund 1,5 Milliarden Euro übernehmen.

Von der Integration von Bayer Diagnostics und DPC in Medical Solutions verspricht sich Siemens Synergieeffekte von rund 100 Millionen Euro in den ersten beiden Jahren. Ein Teil davon komme beispielsweise aus der Bündelung des Einkaufs. Aber auch in der IT- Infrastruktur und durch die Standardisierung von Prozessen ergäben sich Optimierungsmöglichkeiten, sagte der Chef von Siemens Medical Solutions, Erich Reinhardt. Auch in der Verwaltung könnte es kleinere Einsparungen geben, zu möglichen Auswirkungen auf die Zahl der Arbeitsplätze machte Reinhardt aber keine Angaben. Da sowohl DPC als auch die Bayer-Sparte sehr profitabel seien, gebe es keinen Restrukturierungsbedarf.

Mit den Übernahmen von Bayer Diagnostics und DPC steige Siemens Medical Solutions bei der Immundiagnostik weltweit zur Nummer zwei auf, hieß es. Bei der Immundiagnostik können beispielsweise Allergien oder Krebserkrankungen festgestellt werden. Der gesamte Bereich Siemens Medical Solutions mit weltweit 33.000 Beschäftigten hatte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2004/05 (30. September) bei einem Umsatz von 7,6 Milliarden Euro ein Ergebnis von 976 Millionen Euro erzielt. Das Unternehmen zählt sich zu den weltweit größten Anbietern im Gesundheitswesen.

Als weltweite Megatrends hat Siemens unter anderem die zunehmende Verstädterung, Energieknappheit, Gesundheit und Umweltproblematik identifiziert. Diese Megatrends bilde man sowohl mit der aktuellen als auch zurückliegenden Übernahmen ab, sagte Kleinfeld. Dabei verwies er unter anderem auf die Akquisitionen des österreichischen Industriekonzerns VA Tech sowie des US-Wasserspezialisten US Filter. (dpa) / (jk)