Oryon-Kerne fĂĽrs Smartphone: Qualcomm stellt Snapdragon 8 Elite vor
Der Snapdragon 8 Elite bietet neue CPU-Kerne, einen veränderten Aufbau und vor allem mehr Leistung. Im Visier hat Qualcomm dabei vor allem KI und Spiele.
Auf dem Snapdragon Summit 2024 hat Qualcomm seinen neuen Top-Prozessor fĂĽr Smartphones vorgestellt. Die wichtigste Ă„nderung: Erstmals kommen Oryon-Kerne in dieser Produktkategorie zum Einsatz. Zusammen mit diversen Ă„nderungen des Chip-Aufbaus sollen Smartphones erneut mehr Leistung erhalten, wovon in erster Linie KI-Anwendungen und Spiele profitieren.
Vorgestellt wurden die Oryon-Kerne bereits im Oktober 2023, seinerzeit aber lediglich für den Einsatz Windows-on-Arm-Notebooks – in Form des Snapdragon X Elite. Für den Einsatz im Snapdragon 8 Elite hat Qualcomm allerdings zahlreiche Änderungen am Kern vorgenommen und spricht deshalb von der zweiten Oryon-Generation. Die größten Auswirkungen sollen der überarbeitete Prefetcher und der L2-Cache haben. Letzterer fasst pro CPU-Cluster wie bisher 12 MByte, allerdings konnte die Latenz von etwa zwölf auf nur noch fünf Millisekunden verringert werden. Gegenüber dem Snapdragon 8 Gen 3 ist der Sprung groß: Das ehemalige Topmodell verfügt lediglich über insgesamt 12 MByte L2-Cache. Auch die Performance-Kerne basieren auf der zweiten Oryon-Generation, wie Qualcomm auf Nachfrage bestätigte. Details zu den Unterschieden gegenüber den Prime-Kernen kommunizierte man allerdings nicht.
Wir haben Details zu den neuen Oryon-Kernen und Ă„nderungen des Speicher-Interfaces hinzugefĂĽgt.
Nur noch Prime- und Performance-Kerne
Bei der Cluster-Konfiguration weicht Qualcomm deutlich vom Snapdragon 8 Gen 3 und anderen früheren Topmodellen für Smartphones ab. So verfügt der Snapdragon 8 Elite über ein Cluster mit zwei Prime-Kernen (jeweils 192 KByte L1-Cache) und ein weiteres Cluster mit sechs Performance-Kernen (jeweils 128 KByte L1_Cache). Die Prime-Kerne erreichen in der Spitze bis zu 4,32 GHz, die Performance-Kerne bis zu 3,53 GHz. Zum Vergleich: Beim Snapdragon 8 Gen 3 liegen die Limits bei 3,3 beziehungsweise 3,2 GHz. Auf die im vergangenen Jahr noch vorhandenen Efficiency-Kerne (maximal 2,3 GHz) verzichtet Qualcomm dieses Mal komplett. Diese seien aufgrund der hohen Effizienz der anderen Kerne nicht nötig, so das Unternehmen.
Das Ergebnis ist laut Qualcomm eine gegenüber dem Snapdragon 8 Gen 3 um 45 Prozent höhere CPU-Leistung – in Bezug auf Single- und Multi-Core-Betrieb. Bei gleicher Leistung sollen die Kerne 44 Prozent sparsamer arbeiten.
GPU mit Slice-Architektur
Bei der GPU hält sich Qualcomm in Bezug auf technische Details bedeckt. Immerhin verrät man, dass eine Slice-Architektur zum Einsatz kommt. Jedes Slice kann mit bis zu 1,1 GHz takten und auf einen gemeinsamen, 12 MByte großen Grafikspeicher zugreifen. Zudem soll jedes Slice über einen eigenen Speicher verfügen, zu dem es aber keine Details gibt. Die Gesamtleistung der Adreno-Grafikeinheit soll 40 Prozent, die Ray-Tracing-Leistung 35 Prozent höher als bislang ausfallen. Bei gleicher Leistung liegt die Energieeinsparung gegenüber dem Snapdragon 8 Gen nach eigenen Angaben bei 40 Prozent.
Weiterhin sollen Entwickler von der erstmaligen Unterstützung der Unreal Engine 5.3 mitsamt Nanite profitieren. Bei Nanite handelt es sich um ein virtualisiertes Geometriesystem innerhalb der Unreal Engine, die einen höheren Grad an Geometrie ermöglicht. Komplexere Physiksimulationen ermöglicht die Unreal-Chaos-Physics-Engine, die Qualcomm bei der Entwicklung ebenfalls berücksichtigt hat. Davon sollen beispielsweise Spiele profitieren, in denen die Umgebung zerstört oder Wasser physikalisch möglichst korrekt simuliert werden kann.
In Benchmarks fällt der Leistungssprung zunächst aber geringer aus. So spricht Qualcomm von 43 Punkten im 3DMark-Setting Wildlife Extreme Unlimited Offscreen, was ein Plus von etwa 34 Prozent gegenüber dem Snapdragon 8 Gen 3 bedeuten würde. In GFXBench Aztec Ruins OpenGL (Normal Tier, Offscreen, 1080p) soll der neue Chip 262 Bilder pro Sekunde erreichen (plus 9 Prozent), bei höheren Anforderungen (High Tier, Offscreen, 1140p) 105 Bilder pro Sekunde (plus 10 Prozent). Für die CPU-Single-Core-Leistung nennt das Unternehmen 3221 Punkte in Geekbench 6.2, die Multi-Core-Leistung beziffert man auf 10.426 Punkte. Beides bedeutet einen Sprung um fast 40 Prozent.
Beim Thema KI setzt Qualcomm wie in der Vergangenheit auf das Zusammenspiel mehrerer SoC-Bestandteile. Je nach konkreter Aufgabe können CPU, GPU, Hexagon NPU und Sensing Hub wahlweise zusammenarbeiten oder auch einzeln agieren. Das Sensing Hub koordiniert unter anderem die im Smartphone verbauten Sensoren und Funkmodule. Künstliche Intelligenz soll hier erahnen, welche Aufgaben als Nächstes zu bewältigen sind und so die Effizienz steigern. Unter anderem dank eines um 34 Prozent größeren dedizierten Speichers soll das Sensing Hub 60 Prozent mehr KI-Leistung bieten. Aber auch die Hexagon NPU hat Qualcomm überarbeitet. Die Scalar- und Vector-Beschleuniger verfügen über jeweils zwei zusätzliche und damit über acht beziehungsweise sechs Kerne. Der Snapdragon 8 Elite unterstützt dabei alle gängigen KI-Modelle inklusive Large Multimodel Models (LMM), Large Language Models (LLM) und Large Vision Models (LVM).
Dies und andere Änderungen führen den Angaben zufolge zu einem KI-Leistungsplus von insgesamt bis zu 45 Prozent – basierend auf dem Benchmark MLPerf MobileBERT. Wie viele TOPS (Trillion Operations Per Second; Milliarden Instruktionen pro Sekunde) die Snapdragon 8 Eilte in Bezug auf die KI-Hardware bietet, verrät Qualcomm nicht. Dies sei keine zuverlässige Bewertung, um die Performance zu beschreiben, so das Unternehmen. Eine Kehrtwende gegenüber früheren Jahren, in denen man immer wieder auf ebendiesen Wert verwies.
Dual- statt Quad-Channel
Beim Speicher-Interface gibt es eine weitreichende Änderung gegenüber dem Snapdragon 8 Gen 3. Verwendete Qualcomm bei letzterem noch ein Quad-Channel-Interface mit LPDDR5X-9600, kommt nun ein Dual-Channel-Interface mit LPDDR5X-10667 zum Einsatz. Als Grund hierfür nennt das Unternehmen die Vorteile des höheren Tempos für die GPU sowie Aufgaben in Zusammenhang mit generativer KI – also unter anderem das Erstellen von Bildern und Texten.
Mehr Einsatzmöglichkeiten für KI
Das Plus an KI-Leistung sowie weitere Anpassungen sollen den Einsatz von KI deutlich vereinfachen. Als Beispiel nennt Qualcomm den Verarbeitungsprozess bei der Verarbeitung von Sprache und anschließenden sprachbasierten Antworten. Bislang sei es nötig gewesen, Sprache in Text umzuwandeln und damit das Large Language Model (LLM) zu füttern. Die Antwort wäre dann ein Text gewesen, der in Sprache umgewandelt wurde. Diesen letzten Schritt kann der Snapdragon 8 Elite nach wie vor nicht umgehen, dafür ist aber zumindest die anfängliche Umwandlung von Sprache in Text nicht mehr nötig. Die Verbesserungen sollen aber auch umfangreichere Anfragen, die in einem gewissen Kontext zueinanderstehen, ermöglichen. Ebenso soll die KI Objekte nahezu in Echtzeit erkennen können, etwa über die Kamera.
Die Kamera soll aber auch weitere neue Funktionen können – sofern der Smartphone-Hersteller die Fähigkeiten des SoCs nutzt. So ermöglicht der Spectra ISP unter anderem die Erkennung einzelner Bildbestandteile (Semantic Segmentation) in Echtzeit, etwa Gesicht, Himmel, Gebäude, Straßen und Ähnliches. Das Limit liegt bei 250 Bestandteilen. Das gilt auch für Videos bis zu einer Auflösung von 3840 × 2160 Pixeln (4K) mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde. Welchen Mehrwert Semantic Segmentation bieten kann, zeigt das Beispiel der Bildverbesserung. So kann die Software gezielt bestimmte Bereiche manipulieren, etwa das Gesicht aufhellen oder ein Objekt mit Farbfiltern versehen. Für Videotelefonate bedeutet dies, dass Sie Ihr Gesicht mit einer virtuellen Lichtquelle aufhellen können – fehlendes Umgebungslicht ist dann kein großes Problem mehr. Aber auch die Möglichkeit, ein Bild über seine eigentlichen Grenzen hinweg zu erweitern, profitiert von der Erkennung der Bildbestandteile.
Eine bereits bekannte Funktion kann der Snapdragon 8 Elite durch die hohe KI-Leistung erweitern: der magische Radiergummi. War es damit bislang bei einigen Smartphone-Modellen möglich, unerwünschte Objekte nachträglich von Fotos zu entfernen, soll dies mit dem neuen Chip auch in Videos möglich sein. Bei den unterstützten Sensorgrößen und Aufnahmemöglichkeiten hat sich hingegen wenig getan. Der ISP kann maximal drei simultane 48-Megapixel-Aufnahmen oder eine 108-Megapixel-Aufnahme mit jeweils 30 Bildern pro Sekunde ohne Auslöseverzögerung verarbeiten. Die maximale Fotoauflösung beträgt 320 Megapixel, bei Videos sind 3840 × 2160 Pixel bei bis zu 120 Bildern pro Sekunde oder 1920 × 1080 Pixel mit 480 Bildern pro Sekunde. Wahlweise verarbeitet das SoC unter anderem die HDR-Formate HDR10+ und Dolby Vision.
Beim Datenaustausch per Funk zeigt sich der Snapdragon 8 Elite auf der Höhe der Zeit. Das 5G-Modem Snapdragon X80 erreicht im Down- und Upstream bis zu 10 beziehungsweise 3,5 Gbit/s und unterstützt alle relevanten 5G-Modi und -Netze (Standalone, Non-Standalone, Sub-6, mmWave). Zudem ist die Hardware für 5G Advanced (3GPp Release 18) vorbereitet und kann Daten über Satellitennetzwerke (NB-NTN) austauschen. Im Modul FastConnect 7900 bündelt Qualcomm Wi-Fi 7 mit bis zu 5,8 Gbit/s, Bluetooth 6.0 und UWB (Ultra Wide Band).
Erste Smartphones noch 2024
Gefertigt wird der Snapdragon 8 Elite von TSMC im N3E-Prozess. Erste Smartphones auf Basis des neuen Chips sollen noch im Laufe des Jahres 2024 auf den Markt kommen. Als Partner nennt Qualcomm unter anderem Asus, Honor, Samsung und Xiaomi.
Hinweis: Qualcomm hat die Reisekosten des Autors zum Qualcomm Summit ĂĽbernommen.
(pbe)