Social Media: Irischer Regulierer untersagt EU-weit Hass und Hetze​
Die irische Medienaufsicht hat einen Online-Sicherheitskodex veröffentlicht. Er enthält strenge Vorschriften für Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube.​
Irland will zu einer neuen Größe bei der Internetregulierung werden und sicherstellen, dass Plattformen zum Teilen von Videos ihre Nutzer vor Hass und Hetze sowie sonstigen Schaden im Internet schützen. Die irische Medienaufsicht Coimisiún na Meán (CNAM) hat dazu am Montag verbindliche Vorgaben für Social-Media-Netzwerke veröffentlicht. Der Online-Sicherheitskodex betrifft nicht nur strafbare Inhalte, was knifflige Rechtsfragen rund um die Meinungsfreiheit aufwerfen dürfte. Verboten wird damit das Hochladen oder Teilen von Videos, in denen es etwa um Cybermobbing, die Förderung von Selbstverletzungen, Suizid oder Essstörungen, sexuellen Kindesmissbrauch sowie das Anstiften zu Hass oder Gewalt, Terrorismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geht.
"Der Kodex führt Verpflichtungen für Video-Sharing-Plattformen ein, um Menschen, insbesondere Kinder, vor schädlichen Videos und zugehörigen Inhalten zu schützen", erläutert die CNAM. Konkret aufgeführte Merkmale dafür sind "Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, ethnische oder soziale Herkunft, genetische Merkmale, Sprache, Religion oder Weltanschauung, politische oder sonstige Anschauung, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Vermögen, Geburt, Behinderung, Alter und sexuelle Orientierung". Anbieter müssen zudem verhindern, dass mit Pornografie oder "grundloser Gewalt" in Berührung kommen, und dafür "bei Bedarf" Maßnahmen zur umstrittenen Altersüberprüfung einführen. Für Eltern sollen sie Einstellungen zum Ausblenden von Inhalten parat halten, "die die körperliche, geistige oder moralische Entwicklung von Kindern unter 16 Jahren beeinträchtigen können".
Der Kodex gilt für Facebook und Instagram von Meta, LinkedIn, Pinterest, TikTok, Tumblr, Udemy, X und YouTube. Die Betreiber dieser Plattformen haben ihren EU-Hauptsitz in Irland, sodass die CNAM für sie zuständig ist und faktisch über diesen Aufhänger EU-weite Regeln aufstellt. Als rechtliche Basis nennen die Medienwächter unter anderem die überarbeitete Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD). Sie verlangt strenge Maßnahmen wie den Einsatz von Systemen zur Altersverifikation im Kampf etwa gegen gewalttätige Pornografie. Die CNAM verweist zudem auf den Digital Services Act (DSA), für den sie als Koordinator für digitale Dienste ähnlich wie hierzulande die Bundesnetzagentur zuständig ist, sowie die Anti-Terror-Verordnung mit Auflagen zum zeitnahen Löschen einschlägiger Inhalte.
Ende der Selbstregulierung sozialer Medien
Die Annahme des Normenwerks "beendet die Ära der Selbstregulierung sozialer Medien" erklärte die irische Online-Sicherheitsbeauftragte Niamh Hodnett, die in Passau ihren Jura-Masterabschluss gemacht hat. Sie betonte: "Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Menschen ihre Rechte kennen, wenn sie online gehen. Wir werden die Plattformen zur Rechenschaft ziehen und Maßnahmen ergreifen, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen." Medienministerin Catherine Martin (Grüne) begrüßte den Beschluss. Der Kodex führe eine "echte Verantwortlichkeit" der betroffenen Plattformen ein. Unterfüttert sind die Vorschriften durch starke Sanktionsbefugnisse und Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro oder 10 Prozent des Jahresumsatzes einer Plattform, je nachdem, welcher Betrag höher ist.
Die allgemeinen Auflagen müssen die Betreiber bis zum 19. November erfüllen. Für weitreichendere Vorschriften, die Anpassung interner IT-Systeme verlangen, gilt eine Übergangsfrist bis zum 21. Juli 2025. Der vergleichsweise harsche Ansatz überrascht, da die EU-Heimat für viele Big-Tech-Konzerne diese regulatorisch bislang eher mit Samthandschuhen anfasst. Vor allem die irische Datenschutzbehörde DPC galt lange als Flaschenhals bei der Durchsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Erst im Februar verurteilte der Europäische Gerichtshof Irland aber dazu, eine Strafe von 2,5 Millionen Euro für die mangelhafte Umsetzung der AVMD-Richtlinie zu zahlen. Weitere Sanktionen will die Regierung in Dublin – auch mithilfe der neuen Vorgaben – unbedingt vermeiden. Die EU-Kommission und Abgeordnete haben Jugendschutz auf Social Media zudem zu einer ihrer Prioritäten gemacht.
(mki)