Stadt nahe Tschernobyl unter Beschuss – IAEA sorgt sich um AKW-Belegschaft

In Slavutych wohnen viele Menschen, die im AKW Tschernobyl arbeiten. Die Internationale Atombehörde sieht ihr Leben durch das russische Militär in Gefahr.

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Atomkraftwerk Tschernobyl, zu sehen ist die halbrunde Sicherheitsabdeckung "New Safe Confinement" über den am 26. April 1986 explodierten Block 4.

(Bild: GRS)

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Die ukrainische Stadt Slavutych wird von russischem Militär beschossen. Die Stadt liegt etwa 50 km von Tschernobyl entfernt und dort wohnen viele Menschen, die in dem stillgelegten Atomkraftwerk beschäftigt sind. Deshalb sorgt sich nun die Internationale Atombehörde IAEA um sie.

Der Angriff auf die Stadt gefährde den dringend notwendigen Schichtwechsel im AKW Tschernobyl, meint IAEA-Generaldirektor Rafael Mariano Grossi. Dieser kam erst diese Woche, knapp einen Monat nach der russischen Invasion am 24. Februar 2022 wieder in Gang. Die 210 in einer Schicht tätigen Mitarbeiter müssten ausgeruht sein, damit sie ihren wichtigen Aufgaben nachkommen können. Dabei geht es vor allem um die mehr als 21.000 abgebrannten Brennelemente, die dort seit gut 20 Jahren in Wasserbecken gelagert werden, und um die Aufsicht über den im April 1986 explodierten Reaktor in Block 4.

Der Beschuss gefährde die Häuser und Familien des operativen Personals, das die nukleare Sicherheit gewährleiste, zitiert die IAEA die ukrainische Atomaufsicht SNRIU. Diese habe zudem mitgeteilt, dass in Tschernobyl ein Umweltlabor geplündert worden sei. Dabei sei Ausrüstung, unter anderem für Strahlungsmessung, gestohlen worden. "Das russische Militär verstößt weiterhin grob gegen die Strahlensicherheitsanforderungen und strengen Zugangskontrollverfahren am AKW und in der Sperrzone, was zu einer Verschlechterung der Strahlungssituation am Standort führt", schreibt die SNRIU.

Die internationale Atomaufsicht teilte bei der Gelegenheit mit, sie erwarte nicht, dass die in der Sperrzone von Tschernobyl fortdauernden Waldbrände dafür sorgen, dass Radioaktivität in großen Mengen in die Umwelt gelangt. Zwar seien momentan in der Sperrzone keine Strahlungsmessungen möglich, basierend auf jahrelanger Erfahrung mit solchen Bränden bewerte die SNRIU die möglichen Gefahren aber als gering ein. Westlich von Tschernobyl und auch in dem östlich davon gelegenen Kiew waren leicht erhöhte Konzentrationen radioaktiven Cäsiums gemessen worden.

Die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) entwickelt seit 2006 zusammen mit ukrainischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine Datenbank namens "Shelter Safety Status Database". Darin werden Daten zur radiologischen Situation vor Ort gesammelt, beispielsweise insgesamt über Tausend Waldbrände aus dem Zeitraum 1993 bis 2020 erfasst, erläutert die GRS. Die Aktivitätswerte werden in der Datenbank zusammen mit weiteren Parametern abgespeichert, um mögliche Zusammenhänge zwischen den Bränden und belasteter Luft besser untersuchen zu können.

(anw)