Starlink-Antenne heimlich auf US-Kriegsschiff montiert

Plötzlich war da auf der USS Manchester ein WLAN namens STINKY. Die Betreiberin leugnete, bis sie vor dem Militärgericht stand.​

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USS Manchester

Die USS Manchester (LCS 14) ist von der sanften Anmut eines Cybertrucks. Da fällt eine Starlink-Antenne mehr oder weniger nicht auf.

(Bild: US Navy)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Monatelang blieb eine heimlich auf einem US-Kriegsschiff installierte Starlink-Antenne unentdeckt, obwohl sie ein WLAN-Signal namens STINKY verbreitete und mit Kabeln und Repeatern über das ganze Schiff vernetzt war. Ein Teil der Besatzung wollte auch auf hoher See Internetzugang haben wie daheim, doch sind private Internetzugänge ein Sicherheitsrisiko und daher verboten. Zwar blieb STINKY nicht unentdeckt, doch gleich drei schiffsweite Durchsuchungen der USS Manchester fanden nichts. Der "geniale Trick": Die Antenne war auf Deck festgezurrt, wo niemand Nachschau hielt.

Erst ein Zivilist, der bei einem Aufenthalt in einem Hafen eine militärische Starlink-Anlage (Starshield) einzurichten hatte, fand die verräterisch weiße zivile Antenne und meldete sie. Daraufhin wurde die nicht genehmigte Antenne entfernt – und tags darauf wieder angebracht. Die Betreiberin, eine hochrangige Unteroffizierin auf dem Schiff der US-Kriegsmarine, konnte weis machen, dass die Antenne für den Gebrauch im Hafen erlaubt war, obwohl das nicht stimmte. Als die Sache eine Woche später wirklich aufflog, versuchten die Unteroffiziere noch, einen Sündenbock vorzuschieben. Am Ende gab es Strafen für etwa 15 Unteroffiziere und eine militärstrafrechtliche Verurteilung für jene Seemännin, die STINKY orchestriert hat.

Wie die Navy Times auf Grundlage militärischer Dokumente berichtet, hat die Frau vom Rang eines Command Senior Chief (NATO-Code OR-9) im März 2023 ein Starlink High Performance Kit zum Preis von 2.800 US-Dollar erworben und an Bord des für küstennahe Gefechtsführung gebauten Schiffes geschmuggelt. Im Rahmen eines Abseil-Einsatzes installierte eine nicht bekannte Person die Antenne auf einem Außendeck, indem sie es mit Kabelbindern auf einer Holzpalette festzurrte.

Die Seemännin weihte nur 15 Seeleute vom selben, höchsten Unteroffiziersrang ein. Sie durften das WLAN nur in ihrer Kabine nutzen und mussten ein Sechzehntel der monatlichen Starlink-Rechnung von 1.000 Dollar bezahlen. Als das Schiff zu einem Einsatz im Westpazifik aufbrach, stellte sich heraus, dass das WLAN nicht alle Kabinen erreichte. Bei einem Aufenthalt in Pearl Harbor Ende April oder Anfang Mai 2023 beschaffte die Frau Ethernetkabel und Repeater, um den heimlichen Internetzugang schiffsweit verfügbar zu machen. Der Einkauf erfolgte ausgerechnet in einem Geschäft der US Navy, erregte aber offenbar ebenso wenig Aufmerksamkeit wie die neuen Kabel an Bord.

Aufmerksamkeit gab es auf dem Schiff allerdings für das WLAN, weil es so eingerichtet gewesen sein dürfte, dass jeder die SSID sehen konnte. Alsbald fragten andere Besatzungsmitglieder nach STINKY, woraufhin die Frau die SSID so umbenannte, dass sie wie ein WLAN-Drucker aussah. Solche Drucker sind auf dem Schiff nicht vorgesehen.

Mehrmals log die Unteroffizierin einen vorgesetzten Offizier an; im Juni 2023 stahl sie zudem eine schriftliche Mitteilung aus einem Briefkasten an Bord. Untere Ränge hätten auch gerne Internetzugang gehabt und fühlten sich benachteiligt. Eine Durchsuchung fand nichts. Im Juli erreichte eine weitere schriftliche Mitteilung den Befehlshaber dann doch, der eine zweite Schiffsdurchsuchung durchführen ließ, ohne Ergebnis. Daraufhin verlautbarte der Befehlshaber, dass es das WLAN an Bord nicht gäbe. Im August folgte nach einer weiteren Anzeige durch einen von Bord gehenden Seemann eine dritte erfolglose Suche. Niemand dachte daran, auf Deck zu suchen.

Ein Zivilist erspähte die illegale Starlink-Antenne (roter Pfeil) und schoss dieses Foto, das schließlich Eingang in die Gerichtsakte fand.

(Bild: Militärgerichtsakte (via Navy Times))

Erst der Zivilist, der Ausrüstung von SpaceX Starshield zu installieren hatte, erspähte zufällig die unerwartete Starlink-Antenne, machte ein Foto und brachte den Stein ins Rollen. Als die Anlage nicht mehr zu leugnen war, behauptete die Betreiberin, sie nur in Häfen genutzt zu haben. Dort gelten weniger strikte Richtlinien für US-Kriegsschiffe. Als "Beweis" legte sie einen manipulierten Auszug des Nutzungsverlaufes ihres Starlink-Kontos vor, der aber so schlecht manipuliert war, dass es rasch auffiel.

Schließlich legte die Unteroffizierin ein Teilgeständnis ab: Vor einem Militärgericht in San Diego bekannte sie sich zu willentlicher Pflichtverletzung und zwei Lügen gegenüber Vorgesetzten. Der Justizbehinderung bekannte sie sich nicht schuldig, wurde aber auch dafür schuldig befunden. Im März 2024 wurde ihre Gehaltsstufe um zwei Dienstränge herabgesetzt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Frau zuvor im Geheimdienst der US Navy gearbeitet und sich im Rahmen ihres Betriebswirtschaftsstudiums auf IT-Sicherheit und Digital Management spezialisiert hat. "Ihre Ausbildung als IT sollte ihr beigebracht haben, dass kommerzielle Anlagen an Bord des Schiffes ohne (spezielle Genehmigung) nicht erlaubt wären", heißt es in der Urteilsbegründung, "Diese selbe Erfahrung und Ausbildung sollte sie erkennen haben lassen, dass so ein Antrag nicht genehmigt worden wäre, weil Signalbegrenzung und Sicherheitshärtung fehlen."

Inzwischen installiert die US Navy selbst Starlink auf Kriegsschiffen, um die Besatzung bei Laune zu halten. Dieses Projekt geht auf die Initiative eines Offiziers des Flugzeugträgers USS Abraham Lincoln zurück. Zum Einsatz kommt dabei ein Gerät namens Sailor Edge Afloat and Ashore (SEA2), das spezielle Vorkehrungen für IT-Sicherheit enthält. 2022 erstmals getestet, wird SEA2 jetzt auf Hochdruck auf möglichst vielen Schiffen installiert.

2 Techniker installieren die genehmigte Starlink-Anlage SEA2 an Bord der USS Abraham Lincoln (CVN 72)

(Bild: US Navy (gemeinfrei))

Eine inzwischen wieder gelöschte Pressemitteilung vom 20. August beschreibt die enormen Vorzüge. Der Internetzugang habe "komplett umgewälzt, was das Leben auf See an Bord der USS Abraham Lincoln bedeutet. Die Moral und Arbeitsleistung der Seeleute wird durch die schnelle, stabile und sichere Verbindung gestärkt. Eine neue Internetkultur hat sich entwickelt, rund um sichere und gesunde WLAN-Nutzung an Bord eines aktiven Kriegsschiffes. Letzten Februar, während der SEA2-Testphase, gab es eine Super Bowl Party mit Liveübertragung, was noch nie vorher gemacht wurde."

Wie eilig es der US Navy ist, zeigt der Umstand, dass der Genehmigungsprozess für SEA2 nur fünf Monate gebraucht hat. Normalerweise dauert so etwas Jahre.

(ds)