Startschuss für Fusionsreaktor

Vertreter von insgesamt sieben Staaten haben einen Vertrag über die Gründung der für den Bau und Betrieb des Fusionsreaktors ITER verantwortlichen Organisation unterzeichnet. Die Bauvorbereitungen für ITER können damit im nächsten Jahr beginnen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 457 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Vertreter von insgesamt sieben Staaten haben gestern in Paris einen Vertrag über die Gründung der für den Bau und Betrieb des internationalen Fusionstestreaktors ITER verantwortlichen Organisation unterzeichnet. Der 500-Megawatt-Experimentalreaktor ITER (lateinisch: der Weg), der in Cadarache in Südfrankreich gebaut wird, soll zeigen, dass ein Energie lieferndes Fusionsfeuer unter kraftwerksähnlichen Bedingungen möglich ist.

Die politischen Verhandlungen um das rund zwölf Milliarden Euro teure Experiment laufen seit 1988. 2003 schlossen sich dem Projekt China und Südkorea an; auch die – zwischenzeitlich ausgescherten – USA kehrten in die Zusammenarbeit zurück. 2005 kam als siebter Partner Indien hinzu. Deutschland wird sich in den nächsten zehn Jahren mit etwa 500 bis 600 Millionen Euro an den Baukosten von ITER beteiligen.

Das technische Konzept stammt bereits aus dem Jahre 1952 und wurde von dem russischen Physiker Andrej Sacharow mit seinem Kollegen Igor Tamm entwickelt: eine reifenförmige Reaktionskammer, in der Magneten ein Gemisch aus Deuterium und Tritium einschließen, während starke Ströme das vollständig ionisierte Gas – im Fachjargon Plasma genannt – so weit aufheizen, dass Deuterium und Tritium schließlich zu Helium verschmelzen. Dabei wird reichlich Energie frei: Ein Kilo Wasserstoff verschmolzen zu Helium liefert so viel Energie, als würde man 11.000 Tonnen Steinkohle verheizen oder vier Kilogramm Uran spalten. Ließe sich die nukleare Fusion in Kraftwerken bändigen, wäre der Energiehunger der Menschheit bis auf weiteres gestillt.

Noch im selben Jahrzehnt entstanden in der Sowjetunion erste Prototypen des "Tokamaks" (ein russisches Kunstwort aus Toroidalnaya Kamera Magnitnaya Katuschka, frei übersetzt: toroidale Kammer, magnetische Spule). In den 60er Jahren griffen Amerikaner ebenso wie Europäer das Tokamak-Prinzip auf. Das ehrgeizigste Projekt ging 1983 im englischen Culham in Betrieb: "Jet", der "Joint European Torus", hat einen Durchmesser von sechs Metern und schaffte am 9. November 1991 erstmals die Kernfusion: Zwei Sekunden lang verschmolz Wasserstoff zu Helium – die Machbarkeit der kontrollierten Kernverschmelzung war bewiesen.

Doch um ein Fusionskraftwerk dauerhaft zu betreiben, müssen noch diverse technische Herausforderungen bewältigt werden: So beschäftigt die Forscher vor allem der stabile Einschluss des Plasmas in die Magnetfelder, denn Turbulenzen und Wellen innerhalb des Plasmas sorgen dafür, dass immer wieder hochenergetische Teilchen auf die Wände der Magnetkammer prallen. Diese Wände müssen bis zu 20 Megawatt pro Quadratmeter Wärmeenergie aufnehmen und dürfen dabei das Plasma nicht verunreinigen – zurzeit ist noch nicht klar, welche Beschichtung dafür am besten geeignet ist. Auch für den Mechanismus, der das Plasma aufheizen soll, kommen mehrere Kandidaten in Frage.

Bevor nach der Unterzeichnung der Vertrag endgültig in Kraft tritt, muss er noch durch die Regierungen der Partner ratifiziert werden, was im Laufe des kommenden Jahres geschehen soll. In der Zwischenzeit kann die ITER-Organisation jedoch bereits als "vorläufiges Rechtssubjekt" tätig werden – die Bauvorbereitungen für ITER können damit im nächsten Jahr beginnen.

Siehe dazu auch in Technology Review:

(wst)