Steuerfreiheit für Startups gefordert

Die Diskussion über das Klima für Existenzgründer auf einer von Yellout initiierten Veranstaltung fiel vor allem durch ihr Stammtisch-Niveau auf.

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Immer mehr Startups entdecken in einer Zeit, wo der Rückenwind von der Börse abrupt in Gegenwind umgeschlagen ist, die Politik als neues "Betätigungsfeld". Das Verbraucherportal dooyoo hatte bereits im Juli die Gründung des European Net Economy Forums (Enef) vorangetrieben und lud mehrfach Bundestagsabgeordnete zur "Ortsbesichtigung" in seine Hinterhof-Fabriketage in Berlin-Friedrichshain. Firmen wie YouSmile.de ließen Vertreter der Regierungs- und der Oppositionsparteien aufeinander los. Schließlich stieg First Tuesday im August dem Reichstag aufs Dach und jüngst lud der Webride-Anbieter datango Angela Merkel zu sich ein. Jetzt will auch Yellout durch Polit-Aktionen für bessere Rahmenbedingungen für Startups kämpfen.

Gestern Abend hatte die Dienstleistungsplattform, die sich als Fortsetzung der Gelben Seiten im Internet sieht, Politiker der FDP und der SPD sowie Unternehmensvertreter zu einer Podiumsdiskussion in die eigenen Hallen gebeten. Als Organisationspartner hatten die Lobbyisten bei Yellout die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung gewonnen, so dass die Vorgabe klar war: Nur weniger Staat und "mehr Spielraum" für findige Unternehmer, so Rainer Brüderle, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, können Deutschland aus seiner "Sklerose" befreien.

"Wir haben zuwenig Existenzgründerkultur", erläuterte Brüderle seine Bestandsaufnahme. Das verrate schon die deutsche Sprache, die einen scheiternden Unternehmer für "bankrott" erkläre. "Der darf am Stammtisch nur noch daneben stehen – dabei müsste man ihm eigentlich den roten Teppich ausrollen", polterte der auch den "Lenkungsausschuss New Economy" seiner Partei leitende Bundestagsabgeordnete.

Wie am Stammtisch verlief auch die Diskussion in weiten Zügen. Eckart von Reden, Vorstandssprecher der Deutschen Ausgleichsbank (DtA), verstieg sich zu der Forderung, in Deutschland "fünf Jahre Steuerfreiheit für jeden Gründer einzuführen". Die spätere Rückzahlung von Steuerschulden sollte bei diesem Modell natürlich ausgeschlossen sein. Vielleicht hatte der Geldgeber, der über die Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft (TBG), eine Tochtergesellschaft der DtA, nach eigenen Angaben rund zehn Prozent der im Nemax notierten Startups finanziert hat, im Hinterkopf, dass frisch gegründete Firmen die ersten fünf Jahre in der Regel sowieso nur Schulden machen und daher de facto sowieso keine Steuern zahlen.

Von der Rhetorik überlagert wurden vielfach echte Probleme für die auf Geschwindigkeit angewiesenen Startups. So wusste von Reden von einer Studie seiner Bank zu berichten, für die 4000 deutsche Gemeinden auf ihre Gründerfreundlichkeit hin getestet wurden. Fünf Monate habe es dabei im Durchschnitt gedauert, allein die zur Firmengründung notwendigen Verwaltungsangelegenheiten wie etwa die Eintragung ins Gewerberegister zu vollbringen. "Die Gemeinden schicken Existenzgründer hier zu Lande durch einen Hindernisparcour", ärgerte sich von Reden.

Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, machte dagegen den "inflexiblen Arbeitsmarkt" als wichtigsten Stolperstein der New Economy aus, auf die sich auch die Handwerkerbranche spätestens seit dem Start des Portals Handwerk.de eingeschossen hat. Die Regierung habe einen "Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit erstellt" und wolle, dass selbst ins kleinste Unternehmen ein Betriebsrat hineinrede.

Jörg Tauss, Beauftragter für Neue Medien der SPD-Bundestagsfraktion, hielt die ganze Debatte für "ideologisch überspannt" und weigerte sich, "bei dem neoliberalen Zeug" mitzumachen. Natürlich müsse man neue Unternehmensmodelle finden, wo es nicht mehr auf die Stechuhr ankomme. "Eine moderne Betriebsführung hat aber keine Probleme mit einem Betriebsrat", glaubt der frühere Gewerkschaftsfunktionär. Schließlich "beißt da keine Seite die andere." Noch scheint der Trend aus den USA oder Skandinavien, wo immer mehr Mitarbeiter von Dotcoms ihre eigene Interessenvertretung angesichts fallender Börsenkurse und wertloser Stock Options gründen, in Deutschland allerdings nicht angekommen zu sein. Zumindest haben sich einer Umfrage der Berliner Agentur Plato in der Startup-Szene zufolge rund 80 Prozent der Frischlingsfirmen gegen die Gründung eines Betriebsrats ausgesprochen.

Die an der Diskussion beteiligten Gründer meldeten sich selbst paradoxerweise kaum zu Wort und waren insgesamt vor allem auf der Suche nach Ansprechpartnern innerhalb von Regierungen und Verwaltungen, die ihnen ein sorgloses Gründerdasein ermöglichen. Nalan Utku, Chefin des Biotech-Startups GenPat77, lobte die "gute Standortförderung in Berlin", die für Gründer in der Anfangsphase kaum Wünsche offen lasse. Sei ein Unternehmen allerdings über die Seed-Phase hinaus, versiegten die Quellen, obwohl ein Startup mindestens anderthalb Jahre auf lokale Fördermittel angewiesen sei. Utku vermisst daher ein Gesamtkonzept für Gründer bei der Bundesregierung sowie den Länderverwaltungen.

Patrick Setzer, Chef von Yellout, wünscht sich dagegen endlich eine "strategische Entscheidung von ganz oben", Deutschland zum IT-Standort auszubauen. Startups bräuchten einen festen Ansprechpartner in der Regierung, mit dem sie alle Probleme besprechen könnten. Letztlich wurde deutlich, dass Gründer und Politiker nach wie vor aneinander vorbeireden: Suchen die Unternehmer mehr oder weniger eine Rundumbetreuung von Seiten des Staats, will vor allem die FDP den Startups lieber mehr Spielraum freischaufeln und sie selbst schalten und walten lassen. (Stefan Krempl) / (chr)