Streit beim Auftakt zu WSIS-Verhandlungen

Die Volksrepublik China hat sich in der letzten Verhandlungsrunde vor dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft durchgesetzt: Die Bürgerrechtsorganisation Human Rights in China erhält keine eigene Akkreditierung.

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  • Monika Ermert

Die Bürgerrechtsorganisation Human Rights in China (HRIC) erhält keine eigene Akkreditierung für den Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS). Dafür sorgte heute beim Auftakt der letzten Verhandlungsrunde vor dem Gipfel in Tunis die Delegation der Volksrepublik China zusammen mit den Stimmen vieler Entwicklungsländer und gegen die Stimmen der USA, der EU-Mitgliedsstaaten und Kanada.

HRC habe auf die Vertraulichkeit einiger Sponsoren bestanden, meinte Charles Geiger, Chef des WSIS-Sekretariats. "Dadurch war die Bewerbung unvollständig." Eine HRC-Aktivistin bezeichnete dies als eine vorgetäuschte Begründung. Die USA hatten sich nachdrücklich für die Akkreditierung im Plenum eingesetzt. Kanadas Nachfrage, ob andere Nichtregierungsorganisationen ähnlich harten Bedingungen unterzogen wurden, ließ Geiger unbeantwortet. "Wir sind natürlich enttäuscht darüber, dass der Gipfel nicht so offen ist, wie wir gehofft haben", sagte ein Vertreter der US-Delegation.

Bis zu 60 Verhandlungsstunden liegen vor den Regierungsdelegationen, die bis Ende kommender Woche die Abschlusserklärung ausarbeiten, unter die Regierungen beim Gipfel in Tunis ihre Unterschrift setzen sollen. Entwicklungsländer, angeführt von China, Brasilien und Indien, fordern eine Internationalisierung der Aufsicht im Bereich Netzverwaltung und für die zentrale Rootzone. Die USA zeigen dagegen Widerstand. Mitglieder der Zivilgesellschaft bezeichneten das erste Scharmützel als "Schattenboxen" und "Imponiergehabe" der beiden Hauptkontrahenten im anstehenden Streit um die Aufsicht über die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN).

Nitin Desai, Sonderberater von Kofi Annan und Chef der Arbeitsgruppe Internet Governance (WGIG) appellierte heute in Genf an beide Lager. "Selbstverständlich gibt es eine Aufsicht im Internet, gleich welche anarchische Kultur man ihm andichtet." Es gehe nun darum, die Aufsicht so zu gestalten, dass sie das Internet von morgen spiegele, also etwa die Zunahme des Wachstums in den Entwicklungsländern. Ob die Diplomaten einen Kompromiss zustandebringen, ist noch völlig offen.

Eine Steilvorlage für die "Internationalisiserer" lieferte laut WGIG-Mitglied Wolfgang Kleinwächter ICANN gerade selbst. Dadurch dass die US-Administration die Pornodomain xxx erst einmal stoppte, habe sie auch zugegeben, dass sie durchaus von ihrem Aufsichtsrecht Gebrauch macht. Brasilien, das laut gut informierten Kreisen einen Vorschlag für eine Konvention zur Netzverwaltung mit nach Genf gebracht hat, wies darauf hin, dass eine solche Verwaltung nötig sei. Viele Konferenzteilnehmer befürchten nun, dass angesichts des Streits um die Netzverwaltung die entwicklungspolitischen Fragen des Gipfels an den Rand gedrängt werden.

Der Weltgipfel der Informationsgesellschaft ist eine von der UNO ausgerufene Weltkonferenz. Sie soll zu einem gemeinsamen Verständnis der Informationsgesellschaft beitragen. Ein Gipfel fand bereits 2003 statt. Siehe zum Thema auch:

(Monika Ermert) / (anw)