Streit um Enttarnung von Trollen

Schwedische Aktivisten decken die Identität von rassistischen Trollen in anonymen Online-Foren auf. Die Gruppe hat sich damit nicht nur Freunde gemacht, berichtet Technology Review.

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Streit um Enttarnung von  Trollen
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Schweden gilt zwar einerseits als Bastion der Liberalität, als eine Art digitales Utopia, die Geburtsstätte der Piratenpartei, und das Land, aus dem Kultmarken wie Spotify und Minecraft stammen. Ausgerechnet dieses Land hat aber auch ein eigenes Wort für das Verächtlichmachen, Beschimpfen und Bedrohen von Menschen im Netz geprägt: Näthat – Hass im Internet.

Wie das Online-Kollektiv "Researchgruppen" dagegen vorgeht, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe. 2012 werteten die Aktivisten den Kommentarbereich der rechtsgerichteten Online-Publikation Avpixlat aus und destillierte daraus eine riesige Datenbank mit Inhalten und User-Informationen.

Ausgehend von diesen Daten gelang es, die eifrigsten Kommentatoren zu identifizieren. Das Kollektiv reichte die Liste weiter an „Expressen“, eine der beiden großen Boulevardzeitungen Schwedens. Im Dezember 2013 deckte „Expressen“ in einer Serie von Titelgeschichten auf, dass Dutzende prominenter Mitbürger – darunter Politiker und Funktionäre der aufstrebenden Rechtspartei „Sverigedemokraterna“ – rassistische, sexistische und anderweitig hetzerische Kommentare anonym gepostet hatten.

Die Schwedendemokraten hatten seit Längerem versucht, sich von ihren Neonazi-Wurzeln zu distanzieren, indem sie den publizistisch gefälligeren „Schutz der schwedischen Kultur“ propagierten. Nach den Enthüllungen musste eine Reihe von Politikern und Funktionären zurücktreten.

Der neuste Coup der Gruppe: Sie analysierte Einträge auf Flashback, Schwedens größtem Internet-Forum. Deren Nutzer reden nicht in erster Linie über Hass auf Migranten (obwohl das einige tun), sondern über ihr Liebesleben, Videospiele, Kochen, Politik, Drogenkonsum, das gesamte Spektrum menschlicher Interessen.

Im vergangenen Sommer löste der Gründer der Gruppe, Martin Fredriksson, einen Online-Aufschrei aus, als jemand auf Twitter fragte, ob Researchgruppen die Flashback-Datenbank habe – und er das bejahte. Auf die Frage nach dem Warum antwortete er brüsk: „Weil wir es können.“ Sein Tweet war auch innerhalb von Researchgruppen umstritten, und Fredriksson versuchte später klarzustellen, das Team werde die Datenbank nach Netzhass durchforsten. Doch viele Flashback-Nutzer schienen nicht besänftigt. Anna Troberg, Vorsitzende der schwedischen Piratenpartei, nannte Researchgruppen daraufhin gar eine „Bürgerwehr“.

Am 9. Februar veröffentlichte die Zeitung „Aftonbladet“ die erste Flashback-Enthüllung: Ein Facharzt in einem „großen schwedischen Krankenhaus“ hat „Tausende von Kommentaren“ auf Flashback veröffentlicht, viele davon rassistisch und beleidigend.

Über eine Patientin, die ein Kind aus Afrika adoptieren wollte, schrieb er etwa, das sei „bestimmt nur ein hübsches Accessoire“, aber die Frau habe nicht daran gedacht, dass man „zwar einen Neger aus dem Dschungel holen kann, nicht aber den Dschungel aus dem Neger“. Den Namen des Arztes hat „Aftonbladet“ allerdings nicht veröffentlicht – „mit Rücksicht auf seine Familie“. (wst)