Studie: CO₂-Emissionen digitaler Technologien steigen bis 2030 um 50 Prozent

Forscher prognostizieren, dass allein die bei Nutzung von KI, Streaming & Co. verursachten CO₂-Ausstöße bis 2030 auf fast 20 Millionen Tonnen ansteigen.

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(Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

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Die bereits seit Längerem geführte Debatte, ob Internet und Digitalisierung Klimakiller sind, ist um eine Facette reicher: Experten für ressourcenbewusste Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) mehrerer Fraunhofer- und Leibniz-Institute haben hochgerechnet, dass 2030 allein in den Anwendungsfeldern Telekommunikation, Rechenzentren und Haushalte über 30 Millionen Tonnen CO₂-äquivalente Treibhausgase entstehen. Das wären etwa 50 Prozent mehr als 2021. Die Fertigung der Komponenten der untersuchten IKT wird demnach mit knapp 11 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten etwa ein Drittel der Emissionen ausmachen. Rund zwei Drittel – knapp 20 Millionen Tonnen – sollen auf die Phase der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI), Streaming, Smart Homes & Co. durch Verbraucher in der Wirtschaft und Haushalten entfallen.

Die Zahlen stammen aus einer Analyse des Kompetenzzentrums Green ICT @ FMD, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Die Schaltstelle hat die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) ins Leben gerufen, um eine Strategie der Bundesregierung für nachhaltige IKT umzusetzen. Beim FMD wiederum handelt es sich um eine Kooperation des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik mit zwei Leibniz-Instituten.

Erste Ergebnisse einer einschlägigen Studie hat Nils Nissen vom Berliner Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) unter der Woche auf dem MikroSystemTechnik-Kongress in Dresden vorgestellt. Allein die während der IKT-Nutzung in den genannten Sektoren verursachten 20 Millionen Tonnen CO₂ könnten demnach 2030 vier Prozent der in Deutschland insgesamt entstehenden Treibhausgasemissionen ausmachen. Für Haushalte prognostizieren die Forscher nur einen leichten Anstieg des Verbrauchs, nachdem dieser bis etwa 2019 sogar nach unten gegangen war.

Die noch laufende und daher noch nicht veröffentlichte Studie soll um weitere Produkte aus den IKT-Anwendungsbereichen Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sowie Gebäudeautomation und dem Internet der Dinge erweitert werden. Konkret untersuchen die Wissenschaftler dabei den Ausstoß von CO₂-Äquivalenten auf Basis ermittelter Bestandszahlen sowie den Energieaufwand der Nutzung und Herstellung von IKT hierzulande. Zudem haben sie errechnet, wie die künftige Marktentwicklung die Anzahl der verwendeten Geräte in jedem Jahr der Prognose höchstwahrscheinlich bestimmen wird. Anhand von Produktdaten zur Leistungsaufnahme ergibt sich zusammen mit einem definierten Nutzungsmuster der Stromverbrauch einzelner Produkte in jedem Nutzungsjahr.

Unter der Annahme eines bestimmten CO₂-Emissionsfaktors des Strommix berechnete die Studiengruppe dann die CO₂-Intensität der IKT in der Nutzungsphase. Zusammen mit der CO₂-Bilanz aus der Produktherstellung schlossen sie auf die Gesamtemissionen einer Produktkategorie. Um die Endbilanz zu ermitteln, folgte eine Hochrechnung mit den jährlich ermittelten Bestandszahlen und den spezifischen Umweltdaten aus der Betrachtung der Herstellungs- und Nutzungsphasen. Dabei berücksichtigt das Team nach eigenen Angaben auch Technologieentwicklungen bei den Umweltdaten. Die bisherigen Resultate verweisen ihm zufolge auf "eine große Belastung für die Umwelt". Getrieben werde diese vor allem durch das höhere Datenaufkommen in den Telekommunikationsnetzen und die steigende Zahl und Auslastung von Rechenzentren.

Um dabei zu helfen, den CO₂-Fußabdruck digitaler Technologien zu verringern, nimmt das Zentrum vor allem "Sensor-Edge-Cloud-Systeme", Kommunikationsinfrastrukturen und Elektronikproduktionsprozesse ins Visier. Aktuelle vernetzte IKT-Systeme verfügten neben den zentralen EDV-Strukturen in der Cloud über zunehmende Kapazitäten zur Datensammlung und -verarbeitung am Netzwerkrand (Edge), heißt es zu der Auswahl. Dadurch ergäben sich diverse Ansätze zur Optimierung auch von Übertragungsprozessen zwischen Cloud und Edge. Weiteres Einsparpotenzial sehen die Forscher bei der Entwicklung leistungsfähiger Netzwerken wie 5G und 6G, aber vor allem auch bei den Emissionen, die während der Produktion mikroelektronischer Bauteile anfallen. Geräte wie Laptops, Monitore und Fernseher stehen nicht im Fokus, da diese – im Gegensatz etwa zu Sensoren – überwiegend aus Asien kommen. Voriges Jahr konnte man Technikfolgenabschätzungen die Warnung entnehmen, dass beim IKT-Energiebedarf das Worst-Case-Szenario wahrscheinlicher werde.

(tiw)