Studie: Radverkehr auf kürzeren Wegen könnte verdreifacht werden
Der Anteil der mit Fahrrädern zurückgelegten Wege unter 30 km beträgt 15 Prozent. Fraunhofer ISI zeigt in einer Studie, wie er gesteigert werden könnte.
Der Anteil des Radverkehrs an Wegen bis zu einer Länge von 30 km könnte in Deutschland bis 2035 auf 45 Prozent verdreifacht werden. Davon geht das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Frauhofer ISI) in einer aktuellen Studie im Auftrag des ADFC (PDF) aus. Um das Ziel zu erreichen, müssten die Radwege hervorragend ausgebaut und gute Schnittstellen mit Bus und Bahn geschaffen werden. Zudem müssten die Kommunen bessere Nahversorgung planen.
Frauhofer ISI geht davon aus, dass traditionelle Verkehrsprognosen Veränderungen im Verkehrsverhalten der Menschen überwiegend anhand von Fahrzeiten und Kosten berechnen. Damit würden die Potenziale von Rad- und Fußverkehr mit ihren subjektiven Einflussfaktoren systematisch unterschätzt. "Wir haben erstmals entscheidende Faktoren wie die Kontinuität und Dichte des Radwegenetzes, das Sicherheitsempfinden im Verkehr, die Verknüpfung des Radverkehrs mit Bus und Bahn sowie die Qualität von öffentlichem Verkehr und Nahversorgung in den Gemeinden in die Analyse einbezogen", erklärt Dr. Claus Doll vom Fraunhofer ISI.
Netzwerke statt einzelne Projekte
Radverkehrsinfrastrukturen sollten laut Studie als Netzwerk geplant und gestaltet werden, also nicht auf einzelne Radwege ausgerichtet werden. Dieses Netzwerk sollte für durchgehende Routen in der Stadt mit zentralen Radwegen, Fahrradbrücken, Bahnübergängen und auch für Verbindungen zwischen den Hauptrouten und Stadtteilen für kurze lokale Fahrten ausgelegt werden.
Solche Radwegenetze reichten aber nicht allein aus, um Menschen dazu zu bewegen, vom motorisierten Individualverkehr (MIV) aufs Fahrrad umzusteigen. Hinzu kommen müssten Geschwindigkeitsbeschränkungen, Verkehrsberuhigung in den Quartieren sowie Regulierung und Bepreisung für den MIV. Die Stadtstrukturen in Deutschland umzubauen brauche aber Zeit. In Deutschland finde sich in der Verkehrspolitik im Gegensatz zu Ländern wie den Niederlanden keine jahrzehntelange Tradition. Positive Beispiele gebe es aber mit den Netzgestaltungen in Münster, Oldenburg oder Karlsruhe.
Abstellanlagen für Fahrräder müssten an allen Haltepunkten und Bahnhöfen ausreichend gesichert und dimensioniert sein, wird in der Studie zum zweiten Baustein des Konzepts angeführt. ÖPV-Haltepunkte sollten mit dem Fahrrad schneller zugänglich sein. Besonders im ländlichen Raum müssten ÖPNV-Fahrzeuge ausreichend Platz für die Fahrradmitnahme bieten. Außerdem regt Fraunhofer ISI an, das Fahrrad in Auskunfts- und Buchungssysteme zu integrieren.
"15-Minuten-Stadt"
Für einen dritten Baustein einer möglichen Fahrradverkehrspolitik richtet Fraunhofer ISI den Blick auf das Konzept der "15-Minuten-Stadt", in der alle täglichen Wege innerhalb einer Viertelstunde zurückgelegt werden können. Die Menschen bewegen sich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit einer gleichmäßigen Verteilung der Haltestellen in der Stadt. Städte wie Barcelona, Bogota, Mailand oder Paris experimentierten schon mit diesem Konzept, heißt es in der Studie.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Fraunhofer ISI hat für seine aktuelle Studie wegespezifische Präferenzen aus der Erhebung "Mobilität in Deutschland MiD 2017" mit landkreisspezifischen Daten ergänzt. Diese enthielten Durchschnittsnoten aus dem Fahrrad-Klimatest des ADFC und Radwegelängen aus Open Street Map. Diese Daten wurden um die Einflussfaktoren Verkehrsmittelverfügbarkeit sowie die Qualität des öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV) und der Nahversorgung ergänzt.
Hinzu kommen Faktoren, die keinen politischen Einflüssen unterliegen, wie Altersstruktur, Topographie oder Wetter und Jahreszeit. Diese wurden laut Fraunhofer ISI als Kontrollvariablen berücksichtigt. Mit den so ermittelten Koeffizienten haben die Forscher Szenarien berechnet. Mit ihrem Potenzialmodell wollen sie Wege, Personenkilometer und Treibhausgasemissionen nach Verkehrsmitteln, Regionstypen und Entfernungsklassen für Deutschland im Jahr 2035 aufzeigen.
(anw)