Ersatz durch Sprachmodelle: Welche Jobs besonders betroffen sein könnten

Forscher von OpenAI und der Wharton School haben untersucht, wie hoch der Arbeitsmarkteinfluss von LLMs sein könnte. Sie sind selbst Betroffene.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 22 Kommentare lesen
Künstliche Intelligenz: Roboterkopf mit Hand und Schrift "AI" vor Globus

(Bild: Bild erstellt mit KI in Bing Designer durch heise online / dmk)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Reaktion der arbeitenden Bevölkerung auf große Sprachmodelle, wie sie spätestens seit dem Erscheinen von ChatGPT im November 2022 allgegenwärtig sind, fällt äußerst gemischt aus. Da gibt es diejenigen, die sich freuen, dass die KI-Systeme scheinbar Routinearbeiten abnehmen können. Andere wiederum fürchten sich über den Einsturz bestehender Arbeitsverhältnisse insbesondere in jenem Bereich, der bislang als sicher galt: Tätigkeiten hinter dem Schreibtisch, die üblicherweise ein Maß an Bildung voraussetzt.

Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die Tyna Eloundou, Mitglied des Technical Staff von OpenAI, zusammen mit Kollegen des ChatGPT-Herstellers sowie Forschern der Wharton School an der University of Pennsylvania im Journal Science veröffentlicht hat. Dabei erstellten sie ein Framework, mit dem sich die potenziellen Auswirkungen von Large Language Models (LLMs) auf die Arbeitswelt haben könnten.

Sie gehen davon aus, dass LLMs derzeit noch eher geringe Auswirkungen haben. Bei insgesamt 1,8 Prozent aller Jobs sei denkbar, dass immerhin die Hälfte der Aufgaben dieser Personen von LLMs zumindest "tangiert" wären, sofern diese ihr aktuell eher schlichtes Interface und nicht spezialisierte Trainingsdaten behalten. Doch dabei werde es nicht bleiben. "Wenn man aktuelle und wahrscheinliche zukünftige
Entwicklungen bei Software, die die LLM-Fähigkeiten ergänzen, einberechnet, steigt dieser Anteil auf 46 Prozent aller Arbeitsplätze." Es sei höchste Zeit dafür, "robuste gesellschaftliche Evaluierungen" durchzuführen – samt politischer Maßnahmen, um diese potenziellen Effekte zu adressieren.

Ausgehend von insgesamt 923 beliebten Tätigkeiten, die aus der O*NET-27.2-Berufsdatenbank stammen und darin mitsamt ihren Inhalten beschrieben werden, zeigte sich, dass die Nutzung eines LLM vom Niveau eines GPT-4 die benötigte Arbeitszeit um mindestens die Hälfte reduzieren lassen würde. Dabei leidet angeblich die Qualität nicht oder verbessert sich sogar.

Schätzungen, die die Forscher im Rahmen ihres Frameworks angestellt haben, gehen davon aus, dass bei 80 Prozent aller Beschäftigten mindestens ein Anteil von 10 Prozent ihrer Aufgaben auch von LLMs übernommen oder verbessert könnten. 18,5 Prozent der heutigen Arbeitnehmer seien mit einer LLM-Übernahmequote von 50 Prozent konfrontiert, sollten ihre Arbeitgeber auf die Idee kommen, das umzusetzen. Dabei gibt es drei Arbeitnehmergruppen, die besonders betroffen sind – und es sind solche, die als besonders zukunftsträchtig angesehen werden: "Wissenschaftler und Forscher" sowie "Technologen".

Dabei muss es nicht bleiben. Wer sich also beispielsweise ins Handwerk zurückzieht, könnte ebenfalls – etwa durch Fortschritte in der Robotik – betroffen sein. "Aufgaben, die derzeit als unerreichbar gelten, können durch zukünftige Innovationen realisierbar werden", schreiben die Forscher. Allerdings könnte umgekehrt auch passieren, dass Bereiche, die offenbar reif für eine Disruption scheinen, "auf unerwartete Barrieren treffen". Ergo: Neue technische Durchbrüche könnten noch einmal alles verändern. "Die Vorhersage der Entwicklung von LLM-Anwendungen ist aufgrund neu entstehender Fähigkeiten, Veränderungen in der menschlichen Wahrnehmung und technologischer Weiterentwicklungen schwer." Eine wichtige Erkenntnis ist, dass es stets Komponenten von Jobs gibt, die wir fast alle vollführen, die sich von LLMs zumindest verbessern ließen, falls sie nicht allzu sehr halluzinieren.

Zuletzt hatte das Bankhaus Goldman Sachs aus den USA prognostiziert, dass KI-Werkzeuge weltweit 300 Millionen Vollzeitstellen tangieren könnten. Dazu gehören Datenanalyse und Buchhaltung, Kundenservice, Finanzberatung, Rechtsdienstleistungen und die Schaffung medialer Inhalte. Eloundou – die sich schon im vergangenen Jahr mit dem Thema beschäftigt hatte – und ihre Kollegen trinken bei ihrer Arbeit unterdessen gerne ihr eigenes Kool-Aid: Das Paper der Forscher endet mit den Worten, GPT-4 und ChatGPT seien für das Verfassen, das Coding und als "Formatierungsassistenz" bei der Arbeit verwendet worden.

(bsc)