T-Mobile G1: Der Vorbote einer großen Android-Offensive

An den Rummel um das erste iPhone von Apple konnte die Premiere des Google-Handys G1 von T-Mobile in New York nicht heranreichen. Dennoch wird das G1 Veränderungen im Mobilfunkmarkt anstoßen.

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An den Rummel um das erste iPhone von Apple konnte die Premiere des Google-Handys G1 von T-Mobile in New York nicht heranreichen. Daran änderte auch der lockere Auftritt der Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin auf Rollerblades nichts. "Ich glaube nicht, dass sich die Leute in langen Schlangen für dieses Gerät anstellen werden", sagte Rajeev Chand, Analyst von Rutberg & Company. Und auch sein Kollege Shiv Bakhshi vom Marktforschungsunternehmen IDC zweifelte daran, dass Google ein ähnlich "großes Tamtam" veranstalten könne, wie es Apple um das iPhone gelungen sei. Dennoch waren sich einen Tag nach der Präsentation des neuen T-Mobile-Smartphones die meisten Beobachter darin einig, dass mit dem ersten Handy mit dem Google-Betriebssystem Android ein grundlegender Veränderungsprozess im Mobilfunkmarkt gestartet wurde.

Nach dem Auftakt durch die US-Tochter von T-Mobile und den taiwanischen Handy-Hersteller HTC stehen nun etliche Mobilfunkprovider und Handset-Produzenten mit eigenen Android-Projekten in den Startlöchern. Dazu gehören die Sprint Nextel Corp. und Motorola in den USA, der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung sowie China Mobile. "Android ermöglicht allen – den Anbietern und den Nutzern –, das System selbst ohne Einschränkungen flexibel an die eigenen Bedürfnisse anzupassen", sagte HTC-Europachef Florian Seiche. Gleichzeitig treibe das Google-System die Nutzung des mobilen Internets entscheidend voran.

Beim Zugriff auf das Internet hat allerdings Google das Rad nicht neu erfunden, sondern in weiten Teilen lediglich das nachgebaut, was innovative Handys wie das iPhone bereits heute bieten. "Das iPhone hat aus der Perspektive der Verbraucher die Spielregeln verändert. Das Google-Phone wird vermutlich eher aus einer Industrie-Perspektive heraus den Spielverlauf ändern", sagte Analyst Chand.

Nach dem US-Marktstart des G1 Ende Oktober will der Suchmaschinenkonzern den Quellcode des Android-Betriebssystems veröffentlichen und für eine kostenlose Nutzung zur Verfügung stellen. Der gesamte Quelltext dürfte allerdings nicht freigegeben werden: Findige Programmierer könnten sonst nicht nur etwa den SIM-Lock der Geräte entfernen, sondern auch Parameter der Funkschnittstelle verändern. Dies könnte im Extremfall dazu führen, dass man mit ein paar veränderten Android-Handys das Mobilfunknetz einer ganzen Stadt lahmlegen könnte. Vor allem die Netzbetreiber sind daher wohl daran interessiert, einige Teile des Quellcodes unter Verschluss zu halten. Bislang ist zudem noch unklar, ob die Nutzer grundlegende Änderungen an ihren eigenen Android-Telefonen vornehmen können oder sich die neue Freiheit lediglich auf die Applikationsschicht beschränkt.

Für die Entwicklung von Android hat Google erhebliche Mittel in die Hand genommen. Zur Refinanzierung des Aufwands kann Google im Gegensatz zu Konkurrent Microsoft ("Windows Mobile") nicht mit Lizenzeinnahmen für den Einsatz des Betriebssystems kalkulieren. Vielmehr rechnet Google damit, indirekt über Werbeeinnahmen auf seine Kosten zu kommen.

Daher war es kein Zufall, dass das G1 von T-Mobile komplett auf Google-Dienste ausgerichtet ist. Ob E-Mail, Chat-Programm, Bilderspeicher oder Kartenanwendung – alle Online-Services werden von dem Suchmaschinengiganten bereitgestellt. Und es ist sicherlich auch kein Zufall, dass Google auf die Option verzichtet hat, dass G1 direkt an die Kommunikationsinfrastruktur von Microsoft ("Exchange") andocken zu können. Für den Einsatz des Google-Handys in Unternehmen könnte sich diese Entscheidung jedoch auch als großer Nachteil herausstellen.

HTC-Europachef Seiche räumte ein, dass das G1 eher private Anwender als berufliche Nutzer anspreche. Das müsse aber nicht für alle Smartphones auf der Basis von Android gelten, da das System offen sei und entsprechend angepasst werden könne. Für den taiwanischen Hersteller erleichtert die mangelnde Business-Tauglichkeit des G1 vielleicht sogar das Tagesgeschäft. Immerhin macht HTC das Gros seines Umsatzes mit Smartphones, die mit dem auf Geschäftsanwendungen optimierten Betriebssystem Windows Mobile von Microsoft laufen.

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(Christoph Dernbach, dpa, Lutz Labs) / (ll)