Tabubruch und neue Kooperationen – die Fotonews der Woche 25/2023

Nikon bietet Fremdobjektive gleich selbst an, DPReview ist gerettet – und hinter einem kleinen Update für Midjourney steckt Großes.

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(Bild: erstellt mit Midjourney von Christine Bruns und Material von Nikon)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Die Sommerferien haben in den ersten Bundesländern begonnen, und traditionell wollen die Hersteller von Fotoausrüstung vom Urlaubsbudget ihren Teil abhaben. Die jährlichen Rabattaktionen mit Cashback – das Geld gibt es also erst später zurück – laufen schon seit einigen Wochen, da kommt Nikon also fast zu spät mit dem neuen Supertele.

c't Fotografie 4/24

Dieses Nikkor Z 180-600mm f/5.6-6.3 VR reißt zwar mit knapp 2.000 Euro UVP schon ein ziemliches Loch in die Urlaubskasse. Dennoch dürfte so mancher Nikonist jetzt hektisch rechnen, denn eine solche Linse gab es von Nikon noch nie. Einen ähnlichen Brennweitenbereich boten bisher nur Sigma und Tamron in diesem Preisrahmen an, und dennoch wartet das neue Nikkor mit einem Hauch Professionalität auf. Es ist nämlich gegen Staub und Spritzwasser geschützt und bringt vier frei belegbare Funktionstasten mit.

Man muss mit solchen Riesentüten einmal bei Veranstaltungen aus der Hand fotografiert haben, um die Zusatzknöpfchen schnell nicht mehr missen zu wollen. Da eine Hand unweigerlich am Objektiv sitzen muss, wenn man nicht gleich selbst Sport betreiben will, lässt sich schnell beispielsweise der Autofokusmodus ohne Umgreifen umschalten. Und auch auf dem Stativ gibt es eine Besonderheit, die Innenfokussierung: Das Objektiv fährt nicht einen Teil des Tubus aus, die Linsengruppen werden im Inneren bewegt. Dadurch ändert sich der Schwerpunkt kaum, und das Stativ muss nicht nachjustiert werden. Einen Lens-Lock, damit das Objektiv beim Transport nicht ausfährt, kann sich Nikon damit sparen, und die Abdichtungen lassen sich auch einfacher konstruieren.

Kompromisse muss man bei solchen Objektiven immer eingehen, und Nikon ist eben auch kein Wohlfahrtsunternehmen, das eine Profilinse für wirklich kleines Geld anbieten würde. Mit einer Anfangsblendenstufe von f/5.6 ist das Nikkor den echten Sportlinsen mit f/4.0 bei 600 Millimetern schon unterlegen, nur: Das sind dann meist viel schwerere Festbrennweiten, und eine ebensolche kostet in Form des Nikkor Z 600mm f/4 TC VR über 17.000 Euro (ab 16799,99 €). Und wer nun denkt, mit den älteren DSLR-Objektiven von Sigma und Tamron samt FTZ-Adapter ein Schnäppchen zu machen: Das stimmt, ein paar Hundert Euro lassen sich sparen, die Kompromisse liegen dann aber beim höheren Gewicht und der fehlenden Innenfokussierung.

Nikon hat damit diese Objektivklasse für das Z-Bajonett erst einmal für sich exklusiv. Seit dem Umstieg auf spiegellose Systeme samt neuer Elektronik und Softwareprotokolle müssen dem Vernehmen nach die Dritthersteller jegliches neues Objektiv, nicht nur bei Nikon, einzeln lizenzieren. Der Aufpreis gegenüber anderen Bajonetten ist immer deutlich sichtbar, was spöttisch auch Nikon-Steuer genannt wird. Und so ist es wohl zu erklären, dass Nikon mit dem ebenfalls neuen Nikkor Z 70-180mm f/2.8 ganz offensichtlich das von Tamron konstruierte Gerät gleich selbst anbietet.

Das gibt es schon seit gut drei Jahren für Sonys E-Mount (ab 777 €), es wurde damals für genau die 1449 Euro angekündigt, die Nikon jetzt auch verlangt. Aktuell ist es ab etwa 1050 Euro für die Alphas zu haben, da schlägt also vorerst die Nikon-Steuer doch wieder zu. Und wie beim Supertele macht Nikon auch hier den Spagat zwischen den Consumer- und Profiobjektiven: Standard ist für lichtstarke Zooms ein 70-200 Millimeter mit f/2.8, was es für das Z-Bajonett auch schon gibt, dafür verlangt Nikon rund 2300 Euro. Das neue Tamron-Nikkor ist also viel günstiger, und auf die 20 Millimeter am langen Ende könnte man vielleicht verzichten – wenn da nicht der fehlende Schutz vor Staub und Spritzwasser wäre. Darauf lassen sich Profis, deren Gerät auch beim spontanen Regenguss nicht ausfallen darf, kaum ein.

Ein bisschen viel Nikon bisher? Das ist nicht Selbstzweck dieser Kolumne, dieses Unternehmen hat nun aber mit gleich zwei Objektiven sichtbar gemacht, wie Produktpositionierung und Abgrenzung von Drittherstellern funktioniert. Dieses Beispiel wird sicher Schule machen, es ist also stellvertretend für die ganze Branche. Umso wichtiger ist, dass kompetente und kritische Stimmen rund um die Fotowelt erhalten bleiben.

Das ist nun mit DPReview geschehen: Die Webseite und der YouTube-Kanal bleiben nicht nur mit allen historischen Inhalten erhalten, es wird auch neue Inhalte geben, hoffentlich auch die bewährt detaillierten Kameratests. Die gesamten Hintergründe hatten wir in einer früheren Ausgabe der Fotonews schon beschrieben, daher hier nur so viel: Mit Gear Patrol tritt hier ein in der Influencer-Welt nicht gerade riesiger Player als Eigentümer auf den Plan, dem man eine faire Chance gegen sollte. Nach den fast drei Monaten Hängepartie rund um eine der besten Websites der Welt für fotointeressierte Menschen sollte die Kaufentscheidung wohlüberlegt gewesen sein. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Amazon als früherer Eigentümer es in 16 Jahren einfach nicht hinbekommen hat, mit DPReview Geld zu verdienen. Next stop paywall? Das erscheint zumindest wahrscheinlich.

Die Bezahlschranke gibt es, wenn man nicht nur damit herumspielen will, auch längst für einen der mächtigsten KI-Bildgeneratoren der Welt, Midjourney. Da ist jetzt Version 5.2 erschienen, das vor allem die Funktion "Zoom Out" mitbringt. Liest sich trivial, ist aber bei KI-generierten Bildern alles andere als das. Da es kein Original gibt, keine Vorlage, sondern sehr viele, und keinen Kontext des Inhaltes, ist es bemerkenswert, was das System leistet. Dafür muss zuerst wie bisher ein Bild anhand von Prompts erstellt werden, aus dem dann bis zum Faktor von zwei herausgezoomt werden kann.

Das erinnert natürlich an das "Generative Fill" in der aktuellen Beta von Adobes Photoshop und zeigt, wie sehr sich die Entwicklung von Generative AI auch auf der Entwicklungsseite angleicht. Dabei geht die Richtung eindeutig zum professionellen Einsatz, bei dem Menschen mit Erfahrung die Werkzeuge für einen vorher eben doch mit natürlicher Intelligenz gesetzten Ziel einsetzen. Das wohl bisher beste Beispiel dafür ist der eben in den Kinos angelaufene neue Teil der Serie um Indiana Jones, bei dem Harrison Ford mittels KI teils 30 Jahre jünger wirkt. Also ist auch die Filmkritik von André Kramer mit Schwerpunkt auf den digitalen Effekten unsere Empfehlung als Long Read zum Wochenende – wenn man Spoiler nicht scheut.

(cbr)