Tech-KĂĽndigungswelle verliert an Schwung

In den vergangenen Monaten hat die Entlassungswelle bei Big Tech an Dynamik verloren. Doch die neue Bedrohung für Arbeitsplätze heißt KI.

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Entlassener Angestellter mit Habseligkeiten in Papierbox

(Bild: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

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Es ist die Schnittstelle zwischen der Wall Street und dem Arbeitsamt: Kündigungen bei den Techkonzernen. Nach dem Horror-Börsenjahr 2022 griffen zum Jahreswechsel bei den Big Techs die alten Reflexe: Um Anlegern zu signalisieren, dass Konzernchefs verstanden hätten, was die Stunde geschlagen habe, wurde 2023 im großen Stil entlassen. Am rigorosesten griff Meta-CEO Mark Zuckerberg durch, als er 2023 zum "Jahr der Effizienz" erklärte und am Ende 22 Prozent der Belegschaft kündigte. Die Wall Street applaudierte und schickte die Anteilsscheine des Facebook-Konzerns vom Tief 2022 bei 88 Dollar bis zum bisherigen Rekordhoch vor wenigen Wochen bei 542 Dollar um mehr als 500 Prozent nach oben.

Die Rally ist kein Einzelfall: Big-Tech-Aktien blicken in den vergangen eineinhalb Jahren auf gewaltige Kurszuwächse zurück. Kündigungen sind daher in der Breite kein großes Thema mehr, um Investoren bei Laune zu halten. Entsprechend sind die gezählten Entlassungen 2024 im Vergleich zum Vorjahr bislang rückläufig. Während das Tech-Branchenportal Layoffs.fyi in den USA von Jahresbeginn bis Anfang Juli 60.000 Kündigungen bei amerikanischen Technologie- und Internetunternehmen verbucht hat, zählte das Finanzportal Stocklytics weltweit bislang etwa 100.000 Entlassungen im Techsegment.

Die zahlungsmäßig größten Kündigungen fanden dabei Anfang 2024 statt. So schockte der wertvollste Autobauer der Welt, Tesla, zu Beginn des Jahres und im Frühling mit immer neuen Kündigungswellen, denen am Ende 14.500 Arbeitsplätze zum Opfer fielen. Auch der deutsche Vorzeige-Softwarekonzern SAP überraschte seine Mitarbeiter zu Jahresbeginn bitter mit blauen Briefen: 8.000 Stellen werden in diesem Jahr bei dem nach ASML zweitwertvollsten Technologiekonzern Europas abgebaut. Davon entfallen 2.600 Arbeitsplätze auf Deutschland.

Auch der wiedererstarkte Hardware-Hersteller Dell, dessen Aktie seit Jahresbeginn mehr als 80 Prozent an Wert gewann, kündigte Ende März eine größere Kündigungsrunde an, und entließ 6.000 Mitarbeiter, was zu einer Reduzierung der Belegschaft um 5 Prozent führte. Cisco und Toshiba gehören ebenfalls zu den größten Techkonzernen mit den meisten Entlassungen; jeweils über 4.000 Mitarbeiter mussten die Unternehmen verlassen. Selbst der in diesem Jahr lange Zeit wertvollste Konzern der Welt setzte mehrfach den Rotstift an: Technologieriese Microsoft entließ Anfang des Jahres fast 3.000 Mitarbeiter, um eine nachhaltige Kostenstruktur zu etablieren.

So überschaubar die jüngsten Kündigungsrunden noch erscheinen, so kritisch wird doch beäugt, inwieweit in der Arbeitswelt Optimierungsprozesse durch Künstliche Intelligenz (KI) erfolgen. Während fast alle (Big) Tech-Unternehmen aktuell massiv in die Entwicklung von KI investieren, ersetzen andere ihre menschlichen Arbeitskräfte bereits durch den Einsatz von KI und kommunizieren den Schritt offen. So kündigten Google, Dropbox und vor allem IBM Entlassungen im Zusammenhang mit KI-Initiativen an.

Gerade Computerpionier IBM schockierte die eigenen Mitarbeiter im vergangenen Jahr mit der Ankündigung, fast 8.000 Arbeitsplätze durch KI ersetzen zu wollen. Ende letzten Jahres erklärte IBM-CEO Arvind Krishna zudem gegenüber CNBC, dass das Unternehmen "alle unsere Mitarbeiter massiv im Bereich KI weiterbildet". Es klang eher wie eine Drohung als eine Beschwichtigung.

Im Frühjahr präzisierte IBM, welche Divisionen die KI-bedingten Kündigungen beträfen und entsprach damit dem Grundverdacht des ChatGPT-Zeitalters: Vor allem in den Bereichen Kommunikation und Marketing werden Fachkräfte entbehrlicher.

(emw)