Telekom: Big-Tech-Kostenbeteiligung ist die CO₂-Abgabe fürs Internet

Da der Datenverkehr der großen US-Plattformen ständig wachse, hält ein Telekom-Lobbyist einen finanziellen Sparanreiz analog zu Klimaschutzbeiträgen für nötig.

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Ethernet-Kabel

(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

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Die EU-Kommission liebäugelt mit der Einführung einer Infrastrukturabgabe für große Plattformbetreiber wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix, um den Netzausbau durch europäische Netzbetreiber mitzufinanzieren.

Ein solcher Schritt sei unerlässlich, mahnte Jakob Greiner, Leiter Europäischen Angelegenheiten bei der Deutschen Telekom, am Donnerstag bei einer Debatte im Telefónica-Basecamp in Berlin. Die Handvoll Inhalteanbieter sei für über die Hälfte des Datenverkehrs im Netz des Konzerns verantwortlich und dieser wachse jedes Jahr 20 bis 30 Prozent. Erforderlich sei daher –auch aus Gründen der Energieeffizienz – ein finanzieller Anreiz zum Einsparen von Traffic "wie eine CO₂-Abgabe".

Bei einem solchen Ansatz würden sich die Plattformbetreiber zweimal überlegen, was sie in die Netze reingeben und gegebenenfalls stärker komprimieren, erläuterte Greiner. Bislang müssten die Betreiber ihre Kapazitäten ständig für viel Geld erweitern und etwa für den Mobilfunk neues Spektrum kaufen. Allein die Telekom investiere 20 Prozent ihres Umsatzes dafür, was deutlich höher sei als die Ausgaben von Pendants in China und den USA. Dies zahle sich aber nicht aus, da die Endnutzerpreise im Festnetz unter anderem aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks im Vergleich zu 2015 bei 22-fachem Datenwachstum auf selbem Niveau lägen und die Mobilfunktarife parallel sogar um 17 Prozent gefallen seien.

EU-weit gehe es dem Telekommunikationssektor nicht gut, klagte der Lobbyist. Immer mehr private Finanzinvestoren mit hohen Renditeerwartungen stiegen ein. Für viele Unternehmen gehe die Rechnung nicht mehr auf, sie seien "extrem überschuldet" und müssten etwa Funktürme abstoßen. Man wolle auch "nach links und rechts schielen" nach zusätzlichen Geschäftsmodellen etwa in der Cloud. Die dafür erforderlichen Mittel gingen aber fürs "Brot- und Butter-Geschäft drauf". Die Vorgaben der Bundesregierung und der EU, bis 2030 Gigabit für alle nebst 5G flächendeckend zu erreichen, dürften sich so nur schwer erreichen lassen.

Die besagten Anbieter zahlten zwar schon eine geringe Datenmaut, berichtete Greiner. Mehr als 200 Millionen Euro für die gesamte TK-Industrie in ganz Europa kämen dabei aber nicht zusammen, was nicht verhältnismäßig sei. Zudem seien die Preise "signifikant am Einbrechen". Den Telcos gehe es daher darum, "auf Augenhöhe verhandeln" zu können und notfalls ein Streitbeilegungsverfahren einleiten zu können. Die gesetzlich verbriefte Netzneutralität werde nicht angetastet.

"Wir drehen uns seit Jahren im Kreis", erwiderte Lutz Mache aus dem Bereich Regierungs- und Öffentlichkeitsbeziehungen bei Google seinem Duzfreund Greinert und warf ihm Schwarz-Weiß-Denken vor. Eine Big-Tech-Kostenbeteiligung betreffe das ganze Internet-Ökosystem, gab er im Einklang mit der Bundesregierung zu bedenken. Viele trügen dazu bei, "auch wir". So habe Google für Datenzentren, Seekabel und vergleichbare Infrastruktur über 80 Milliarden Euro allein in Europa in den vergangenen Jahren ausgegeben. Es sei weiter unklar, wo die behauptete Investitionslücke bestehe.

Wenn ein Nutzer ein YouTube-Video abrufen wolle, stehe der Server zunächst am Hauptsitz des Unternehmens im kalifornischen San Bruno, brachte Mache ein Beispiel für die Abläufe im Netz. Die Telekom bekomme dann den Auftrag, "ihm diesen Inhalt zuzuführen". Das könne sie sehr aufwändig direkt vor Ort machen. Die Beteiligten hätten sich aber dafür entschieden, dezentrale Content Delivery Networks (CDNs) dazwischenzuschalten, wofür beide Seiten zahlten. Ein Netzbetreiber könne trotzdem auch diese Dritten umgehen und sich direkt etwa mit Google per Peering zusammenschalten. 99 Prozent dieser Vereinbarungen zum Datenaustausch erfolgten per Handschlag, auch wenn es "immer mal Anreize" gebe, dass es zu anderen Vereinbarungsraten komme.

Zudem habe auch Google ein Interesse daran, Dienste zu optimieren, führte der Konzernlobbyist aus. So habe YouTube etwa den Kodex zur Videokomprimierung so verändert, dass 2019 30 Prozent weniger Traffic angefallen seien. Just seien "panische Anrufe" erfolgt, wieso der Datenverkehr auf einmal eingebrochen sei. Ferner gebe es auch etwa über die Sovereign-Cloud-Lösung für die deutsche Industrie ein gemeinsames Interesse mit der dafür die Hoheit habenden Telekom, "Traffic zu verursachen". Die Nutzungsintensität habe sich nach dem Abklingen der Corona-Pandemie zudem abgeschwächt, in Ungarn etwa habe das Wachstum voriges Jahr nur 3 Prozent betragen.

"Die Anbieter fühlen sich ein Stück weit alleingelassen", zeigte der EU-Abgeordnete Andreas Schwab (CDU) Verständnis für Telekom, Orange, Vodafone & Co. Von Ausgleichszahlungen wollte er nicht direkt sprechen, warb aber für einen "Auftrag an Digitalunternehmen, Datenmüll zu unterbinden". So wandere derzeit noch viel Spam durch die Leitungen. Teils würden Farben in Videos übertragen, "die kein Mensch sehen kann". Sein Kompromissvorschlag: Die Plattformbetreiber sollen freiwillig auf "bewährte Praktiken" für die Datenreduzierung und -minimierung setzen. Eventuell könnten die Gesetzgeber auch Höchstgrenzen an Traffic festlegen, "die nicht überschritten werden dürfen".

"Wir sehen nicht, dass wir in Deutschland ein Investitionsproblem haben", erklärte Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. "Geld ist da für den Ausbau der digitalen Infrastruktur." Die Liberalen hätten daher einen Schwerpunkt auf Rahmenbedingungen gelegt, um die Finanzmittel beziehungsweise die damit verknüpften Leitungen schneller in den Boden zu bekommen. So seien Genehmigungsverfahren beschleunigt und alternative Verlegemethoden standardisiert worden. Der Telekom warf er vor, sich lange auf ihrem abgeschriebenen Kupfernetz ausgeruht und zu spät in Glasfaser investiert zu haben. Während der Pandemie habe nur Vectoring die benötigten Geschwindigkeiten gewährleisten können, konterte Greiner. Der Glasfaserausbau hätte in der Schnelligkeit nicht funktioniert.

(mho)