Telekom-Mitarbeiter demonstrieren gegen Stellenabbau

Einen Tag vor der Aufsichtsratsitzung der Telekom haben Telekom-Mitarbeiter heute vor der Konzernzentrale gegen den Abbau von mehr als 50.000 Arbeitsplätzen demonstriert.

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  • dpa

Einen Tag vor der Aufsichtsratsitzung der Telekom haben Mitarbeiter des Konzerns heute vor der Konzernzentrale gegen den Abbau von mehr als 50.000 Arbeitsplätzen demonstriert. Helmut Sihler wollte vor den rund 5000 aufgebrachten Beschäftigten reden und den Sparkurs der Telekom-Führung mit dem drastischen Stellenabbau begründen. Doch er durfte nicht. "Das ist unsere Veranstaltung, das passt nicht", machte Rüdiger Schulze vom Bundesvorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) dem Telekom-Chef klar.

Heftig machten die Arbeitnehmer am Tag vor der Bekanntgabe des weiteren Konzernkurses ihrem Unmut gegen den "Kahlschlag" Luft. Sihler stand am Rand und bekräftigte vor Journalisten: Es werde einen Abbau von rund 54.000 Stellen geben. Darunter seien rund 42.000 Stellen in Deutschland. Zum Sparen gebe es "keine Alternative". Die Möglichkeiten zur Umsatzsteigerung in Deutschland seien begrenzt. Und es mache auch keinen Sinn, "um das Problem herumzureden oder es aufzuschieben".

Helmut Sihler versicherte, dass Hans-Dietrich Winkhaus Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Telekom bleiben werde. Der bei der Kandidatensuche für einen Nachfolger von Ron Sommer in die Kritik geratene Winkhaus hatte bereits zuvor gesagt, er schließe einen Rücktritt aus und stehe "weiter zur Verfügung". Weiter bestätigte Sihler, dass die Deutsche Telekom ihre teuer eingekaufte US-Mobilfunktochter VoiceStream nicht verkaufen wird. "Andere Optionen bleiben natürlich offen." Damit meint der Übergangschef unter anderem eine Fusion von VoiceStream mit anderen US-Unternehmen. Die Telekom hatte VoiceStream im Jahr 2001 für rund 40 Milliarden Euro gekauft. Dadurch stiegen die Verbindlichkeiten. Nun soll In einer Sonderabschreibung eine Milliarden-Wertberichtigung erfolgen.

Vor allem im Kerngeschäft Telefon-Festnetz sollen Arbeitsplätze gestrichen werden, wie Sihler erläuterte. Und das trifft allein rund 30.000 Beschäftigte in Deutschland. Rund die Hälfte der Betroffenen soll über verschiedene Wege wie natürliche Fluktuation, Dienstunfähigkeit, Altersteilzeit, Vorruhestand und Kündigungen ausscheiden. Die andere Hälfte würde von einer neu geschaffenen Personalservice-Agentur (PSA) vermittelt werden, die einen Testlauf für das von der rot-grünen Koalition entwickelte Hartz-Konzept darstellt.

Die geplante Streichung der Dividende bei der Deutschen Telekom ist nach Ansicht der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) wirtschaftlich sinnvoll. "Die Geschäfte geben das nicht her. Daher ist es verständlich, dass gesagt wird, wir behalten das Geld und sparen", sagte DSW-Geschäftsführer Jörg Pluta. Die DSW vertritt die Interessen der Kleinaktionäre.

Hintergrund: Der Aufsichtrat der Deutschen Telekom

Auch wenn nahezu alle Zweifel ausgeräumt sind, dass Kai-Uwe Ricke neuer Telekom-Vorstandschef werden soll, muss er morgen erst noch vom Aufsichtsrat gewählt werden.

Der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom hat 20 Mitglieder. Jeweils zehn repräsentieren die Arbeitnehmerseite und die Anteilseigner. Vorsitzender ist der Präsident des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Hans- Dietrich Winkhaus. Sein Stellvertreter ist der Bundesfachbereichsleiter der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Rüdiger Schulze.

Bei der Abstimmung am Donnerstag über den neuen Telekom-Chef hat die Arbeitgeberseite allerdings nur neun Stimmen. Telekom- Interimschef Helmut Sihler lässt sein Mandat als Aufsichtsratsmitglied ruhen. Die Arbeitnehmerseite hat damit eine Mehrheit von 10:9 Stimmen.

Zusammen mit dem Ehrenvorsitzenden des Verwaltungsrats der belgischen Gevaert-Gruppe, André Leysen, und dem Vorsitzenden des Telekom-Gesamtbetriebsrats, Wilhelm Wegner, bilden Winkhaus und Schulze das Präsidium des Gremiums.

Der Bund ist über die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation (31 Prozent) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) (12 Prozent) größter Aktienbesitzer. Für den Bund sitzt der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Heribert Zitzelsberger, im Kontrollgremium. Die Interessen der KfW vertritt deren Chef Hans W. Reich.

Die weiteren Vertreter der Anteilseigner sind: Der Ex-Chef des Spezialchemiekonzerns Degussa, Gert Becker, der Aufsichtsratschef des Reifenherstellers Continental, Hubertus von Grünberg, der Präsident des Bundesverbands Deutscher Arbeitgeber, Dieter Hundt, Ex-ZDF-Intendant Dieter Stolte, der frühere Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Bernhard Walter, sowie der Interims-Telekom-Chef Sihler.

Die Arbeitnehmerseite wird neben Schulze und Wegner von DGB-Chef Michael Sommer, dem Landesbezirksleiter ver.di Bayern, Josef Falbisoner, sowie den Betriebsräten Monika Brendl, Waltraud Litzenberger, Michael Löffler, Lothar Holzwarth und Ursula Steinke vertreten. Für die leitenden Angestellten sitzt Wolfgang Schmitt im Aufsichtsrat. (dpa) / (anw)