Top oder Flop: Der Euro Hawk im Untersuchungsausschuss

Geschichten aus dem Paralleluniversum: Der im Untersuchungsausschuss zum Euro Hawk gehörte Projektleiter wollte nicht von einem Scheitern des Drohnenprojekts sprechen.

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Von
  • Detlef Borchers

Ob das Euro-Hawk-Projekt tatsächlich gescheitert ist oder nicht doch zu den Paradestücken deutscher Wehrtechnik gehört, könne man erst nach Abschluss von zwei weiteren Testflügen im September sagen, bei denen das SIGINT-Auflärungssystem ISIS "durchgetestet" werde. Mit dieser Zeugenaussage von Projektleiter Rüdiger Knöpfel vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss erhielten Abgeordnete wie interessierte Zuschauer am zweiten Vernehmungstag einen Einblick in die Gedankengänge von Technikern weitab von der politischen Debatte um das Wissen oder Nichtwissen des amtierenden Verteidigungsministers.

Nach Darstellung des Projektleiters kannte das um Jahre verspätete Euro-Hawk-Projekt kaum Probleme. So habe sich sehr frühzeitig abgezeichnet, dass sich die schließlich marktreifen Serienmaschinen deutlich vom ersten bei Northrop Grumman eingekauften Exemplar der Drohne unterscheiden würden. Daher habe es keinen Sinn gehabt, sich mit einer Musterprüfung um eine vollständige Zulassung zum Luftverkehr zu bemühen. Auch die Tatsache, dass dem Euro-Hawk bei seinem Überführungsflug nach Manching die Überquerung des US-Luftraums verweigert wurde, erklärte Knöpfel zur Bagatelle. Dies sei ein schlichter Kompetenzstreit zwischen militärischer und ziviler Luftfahrtbehörde gewesen. Dass die zivilen Luftfahrtbehörden in Europa ähnlich urteilen dürften, wurde offenbar vergessen.

Schließlich erhielt der "Demonstrator" mit einer vorläufigen Flugerlaubnis die Genehmigung, 800 Flugstunden lang über Europa fliegen zu dürfen. Erst dann könnten belastbare Angaben darüber gemacht werden, ob der Euro Hawk als Gesamtprodukt den Vertragsanforderungen gerecht werde, erklärte Knöpfel den Parlamentariern. Nach seinen Angaben könnte das in Deutschland entwickelte Aufklärungssystem ISIS auch in anderen Flugzeugen zum Einsatz kommen, müsste allerdings zusätzlich getestet werden. Wie viel diese "Umorientierung" insgesamt kosten könnte, darüber konnte der Projektleiter keine Angaben machen. Er jedenfalls sei heilfroh, dass das Projekt nicht schon vor einem Jahr gestoppt worden sei. Dann habe er gar nichts fertig gehabt.

Der Bericht des Projektleiters, der nicht nur dem verteidigungspolitischen Blogger Thomas Wiegold wie eine Erzählung aus einem Paralleluniversum vorkam, zeichnet eine durchweg heile Welt. Selbst über die eingeschränkte vorläufige Flugerlaubnis habe man sich gefreut, da man sich dank ihr keine Gedanken über Korrosion, Vereisung oder andere Langzeitbelastungen des Fluggeräts machen musste. Dementsprechend sei es auch nie als Problem gesehen worden, dass zum Start und zur Landung jeweils der gesamte Luftraum um den Euro Hawk herum gesperrt werden muss, worunter vor allem die zivilen Flüge nach München zu leiden haben. Sonst sei alles in Ordnung gewesen. Schließlich ziehe der Euro Hawk seine Bahnen in einer Höhe, in der es keinen Flugverkehr gibt.

Tags zuvor gab es im Untersuchungsausschuss interessante Einblicke in das Ministerleben. Der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), unter dem das Euro-Hawk-Projekt seinen Anfang nahm, schwärmte von der abendlichen Kommunikation bei einem Rotwein auf Dienstreisen und sprach von einer "Holschuld", die ein Verteidigungsminister bei allen größeren Rüstungsprojekten ständig hat, damit sie nicht aus dem Ruder laufen. Sein Nachfolger Franz Josef Jung (CDU) gab an, "in regelmäßigen Abständen" über Rüstungsprojekte informiert worden zu sein, aber offenbar nicht über den zentralen Knackpunkt: "In meiner gesamten Amtszeit hat das Thema Zulassungsproblematik keine Rolle gespielt."

Auch der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, erzählte von einer regen Kommunikation zwischen ihm und seinem Minister, ohne die gar nichts laufen könne. Schneiderhan erklärte auch, dass der Euro Hawk eine Fähigkeitslücke in der Aufklärung schließen sollte. Das er zu den Machern dieser Lücke zählte, weil er den Antrag der Marineflieger ablehnte, die Nutzungsdauer der Langstreckenaufklärer Breguet Atlantic (BR 1150) zu verlängern, kam nicht zur Sprache. (vbr)