Tracking von Walen: KI soll Forschern zu mehr Rendezvous verhelfen
Das Tracken von Pottwalen ist wegen ihrer Lebensmuster nicht leicht. Project CETI, das ihre Kommunikation entschlĂĽsseln will, setzt auf Reinforcment Learning.
Schon seit mehreren Jahren versuchen Forscher mithilfe von Maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz herauszufinden, wie die hoch entwickelten Pottwale in den Ozeanen über komplexe Klicklaute miteinander kommunizieren. Hier gibt es auch "Moonshot"-Projekte wie das sogenannte Project CETI, das sich "Fortschritte und Durchbrüche bei der Kommunikation zwischen Spezies" wünscht. Der Name, der für "Cetacean Translation Initiative" ("Initiative zur Übersetzung der Sprache von Walen und Delfinen") steht, ist nicht zufällig an das SETI-Projekt angelehnt, das seit 1999 versucht, Signale außerirdischer Lebensformen zu finden. Nun haben am Project CETI beteiligte Wissenschaftler der Harvard University ein neues Reinforcement-Learning-Netzwerk aufgebaut, das ein zentrales Problem bei den Forschungen lösen soll: Die Entdeckung von Pottwaltreffpunkten im Meer, um die Tiere überhaupt adäquat belauschen zu können. Die dafür benötigten Daten kommen aus robotischen Sonden und Drohnen.
Wo taucht ein Wal als Nächstes auf?
Das neuartige Framework, das im Journal Science Robotics beschrieben wird, nennt sich AVATARS, was für "Autonomous Vehicles for whAle Tracking And Rendezvous by remote Sensing" steht, also für autonome Fahr- und Fluggeräte, die Wale und ihre Treffpunkte mittels Fernsensoren auffinden können. Die Studie um die Forschungsleiterin Stephanie Gil, Assistenzprofessorin im Bereich Informatik an der Harvard John A Paulson School of Engineering and Applied Sciences (SEAS), soll dabei helfen, "die komplexe Kommunikation und das komplexe Verhalten dieser Lebewesen zu verstehen". So werde es möglich, Pottwale in ihrer natürlichen Umgebung zu untersuchen. Die Algorithmen setzen dabei auf Methoden, die man eher aus der Stadt kennt: Die Positionsbestimmung von Rideshare-Anbietern stand dabei Pate, mit der Fahrzeuge in Echtzeit an Orte gebracht werden, wo sich potenzielle Fahrgäste befinden.
Die Wale selbst sind dabei mit Ultrakurzwellensendern in Form kleiner Tags versehen, die zur Anpeilung dienen. Doch auch mit diesen wird das so wichtige Auftauchen der Tiere oft übersehen, das ein Zusammentreffen signalisiert. Die Drohnen, die Teil von Project CETI sind, erfassen die UKW-Signale und nutzen sie zusammen mit der Bewegung der Drohne, um ein "Antennenarray in der Luft" zu bilden. Damit lässt sich die Richtung der empfangenen "Pings" bestimmen. Funktioniert der Algorithmus so, wie gewünscht, ist es möglich, anhand dieser verschiedenen Sensordaten plus Vorhersagemodelle für das Tauchverhalten zu ermitteln, wann und wo ein Wal mit hoher Wahrscheinlichkeit auftauchen wird.
Treffsicherheit bei mehr als 80 Prozent auf 500 Meter
"Unser Autonomiemodul liefert eine Gesamt-Erfolgsrate von 81,31 Prozent für eine Rendezvous-Distanz von 500 Metern mit drei autonomen Systemen. Eine zweite Klasse von Experimenten, bei denen ausschließlich akustische Peilungsmessungen zu drei unmarkierten Pottwalen durchgeführt wurden, ergab eine Gesamt-Erfolgsrate von 68,68 Prozent für eine Rendezvous-Distanz von 1000 Metern bei Verwendung von zwei Robotern", heißt es in der Studie. Die Daten mussten allerdings jeweils nachträglich aufbereitet werden.
Bleibt noch die Frage, wann wir die Pottwale wirklich verstehen werden. Die erstaunlich lauten Signale mit über 200 Dezibel Schalldruck sollen sogar Vokale und Diphthonge – wenn auch klickend – aufweisen. "In der ersten Phase wird ein einzigartiger, großangelegter Satz akustischer und verhaltensbezogener Daten erstellt, um die Technologie von CETI zu trainieren, die Kommunikation der Wale im Kontext zu betrachten und die Sprache der Wale schließlich zu übersetzen", heißt es in der Missionsbeschreibung von Project CETI dazu. All das erinnert an längst vergessene Sprachen des Altertums, deren Schrift heutzutage nicht mehr identifiziert werden kann. Bei den Pottwalen hilft zunächst, ausreichend Datenmaterial zu sammeln, um neben der eigentlichen Kommunikation auch Verhaltensinformationen zu erfassen, um eine Form von Sprachmodell aufbauen zu können. "Diese interdisziplinäre Arbeit, die drahtlose Sensorik, künstliche Intelligenz und Meeresbiologie kombiniert, ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Robotik Teil der Lösung sein kann, um das Sozialverhalten der Pottwale weiter zu entschlüsseln", meint Erstautor und Doktorand Ninad Jadhav.
(bsc)