Aufschub abgelehnt: TikTok-Verbot in den USA rückt näher

TikTok scheitert auch mit seinem Begehr, das Inkrafttreten eines Gesetzes für ein De-facto-Verbot der Kurzvideo-App in den USA zu verzögern. Was plant Trump?

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TikTok-Logo auf einem Smartphone, in dem sich die US-Flagge spiegelt.

(Bild: XanderSt/Shutterstock.com)

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Einen weiteren juristischen Rückschlag hat TikTok in seinem Kampf gegen ein drohendes praktisches Verbot in den USA erlitten. Das für den Regierungsbezirk Washington zuständige Bundesberufungsgericht lehnte am Freitag den Antrag des Betreibers der populären Kurzvideo-App ab, das Inkrafttreten eines US-Gesetzes zu verzögern, wonach TikTok in den Vereinigten Staaten von Mitte Januar an nicht mehr über App-Stores angeboten werden darf. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn die chinesische Muttergesellschaft ByteDance bis dahin ihre Anteile verkauft.

Die Richter des Appeals Court für den District of Columbia (D.C.) zeigen sich in ihrem Beschluss ungehalten über die von TikTok begehrte einstweilige Verfügung. Die Kläger beriefen sich dabei auf ihre Ansprüche nach dem Ersten Verfassungszusatz, der die Meinungsfreiheit garantiert, schreiben die Berufungsexperten. Dieses Gericht sei aber "bereits einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass das Gesetz bei genauerer Prüfung die Anforderungen des Ersten Zusatzartikels erfüllt".

Hintergrund: Vorige Woche lehnten die Richter den TikTok-Antrag ab, das umstrittene Gesetz aufzuheben. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Sicherheitsbedenken des US-Justizministeriums "zwingend" und "begründet" seien. Demzufolge ist es der chinesischen Regierung möglich, mithilfe der App US-Bürger auszuspionieren und zu beeinflussen.

Die Gesetzgeber gaben TikTok im April neun Monate Zeit, die Verbindungen zu ByteDance zu kappen. Vorgesehen ist noch eine Option für US-Präsident Joe Biden, einen 90-tägigen Aufschub vor dem 19. Januar zu gewähren, wenn bis dahin ein Verkauf im Gange ist. Die Fristen seien mehr als ausreichend, betonte das Berufungsgericht. Den Antragstellern gehe es nicht bloß um einen Aufschub, "sondern um eine Unterlassungsverfügung gegen die Durchsetzung eines mutmaßlich gültigen Gesetzes des Kongresses". Das käme der Aussetzung des Rechtsakts gleich.

Die geforderte Veräußerung erachtet ByteDance als technisch, wirtschaftlich und rechtlich nicht machbar. So hat die chinesische Regierung etwa den Export des Empfehlungsalgorithmus, der als TikToks Kronjuwel gilt, verboten. Ein Sprecher des Unternehmens beteuerte erneut, den Fall vor den Obersten Gerichtshof zu bringen. Der Supreme Court habe "in seiner Geschichte das Recht der Amerikaner auf freie Meinungsäußerung verteidigt". Sollte das Verbot nicht aufgehoben werden, würden "die Stimmen von über 170 Millionen Amerikanern hier in den USA und weltweit am 19. Januar 2025 zum Schweigen gebracht". Das Gesetz soll einen Tag vor dem Ende der Amtszeit Bidens greifen.

Das US-Justizministerium hat die Behauptung zurückgewiesen, dass TikTok ohne mehr Zeit "unmittelbaren Schaden" erleiden würde. Es hob hervor, dass US-Nutzer, die die App bereits heruntergeladen haben, sie auch nach dem 19. Januar weiter verwenden könnten. Es würden allerdings dann keine Updates mehr verfügbar sein. TikTok führte ins Feld, ein Aufschub würde es dem Obersten Gerichtshof ermöglichen, den Fall "geordneter zu behandeln". Zudem hätte die neue Regierung unter Donald Trump mehr Zeit, "ihre Position zu dieser außerordentlich wichtigen Angelegenheit festzulegen".

Parallel schickten am Freitag die Vorsitzenden des China-Ausschusses des Repräsentantenhauses Briefe an Google und Apple. Sie forderten die Tech-Konzerne auf, TikTok bis zum 19. Januar aus ihren App-Stores zu entfernen. An TikTok ging die Ermahnung, den geforderten Verkauf zu vollziehen. Der Schutz vor Einflussnahme durch die Kommunistische Partei Chinas sei wichtig.

Trump versuchte 2020 während seiner ersten Amtszeit vergeblich, TikTok zu untersagen. Inzwischen hat er seine Meinung geändert: Unlängst erklärte der frühere und künftige US-Regierungschef, dass er ein Verbot des Dienstes nicht zulassen würde. "Ich werde TikTok retten", versprach er im Juni. Seine frühere Wahlkampfmanagerin Kellyanna Conway erläuterte jüngst gegenüber der Washington Post, dass Trump das Potenzial und die Reichweite des Social-Media-Dienstes schätze. Der Republikaner sehe Optionen, China zur Rechenschaft zu ziehen, ohne die Millionen US-User der App – und damit vor allem junge potenzielle Wähler – zu vergrätzen.

Bei Tumps Sinneswandel dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass mit Jeff Yass einer von seinen Großspendern eine große Beteiligung an ByteDance hält. Davon geht der US-Rechtsprofessor Anupam Chander aus. Trump könnte daher den Kongress zur Aufhebung des TikTok-Verbots drängen. Das wäre aber nicht einfach, da das Gesetz mit der großen Mehrheit beider Fraktionen beschlossen worden sei, erklärte Chander gegenüber dem ZDF. Alternativ könnte Trump das Justizministerium anweisen, das Gesetz nicht durchzusetzen. Denkbar wäre eine Zusicherung gegenüber Apple, Google & Co., Verstöße nicht strafrechtlich zu verfolgen. Prinzipiell drohen betroffenen US-Firmen Geldbußen bis zu 5000 US-Dollar für jeden Nutzer, der die App noch neu herunterladen kann.

Als weitere Option ist laut ZDF im Gespräch, dass Trump bei der Suche nach einem US-Käufer hilft. Sein einstiger Finanzminister, Steven Mnuchin, habe schon im März Interesse daran bekundet. Ferner stehe noch das von TikTok selbst angestoßene "Project Texas" im Raum. Demnach würde das Unternehmen alle Daten von US-Nutzern im Rahmen einer Partnerschaft mit Oracle innerhalb der USA speichern. Auch dagegen brachten Abgeordnete bei einer Anhörung zwar Einwände vor. Chander zufolge könnte Trump aber versuchen, diese zu zerstreuen und für TikTok zufriedenstellende Bedingungen zu erreichen.

(nen)