Googles Suchmaschinen-Geschäfte sind illegal, sagt US-Gericht

Die meisten Handys und Webbrowser kommen in den USA vorinstalliert mit Googles Suchmaschine. Dafür zahlt der Konzern Milliarden, wofür er jetzt verurteilt ist.

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Die Eingabemaske der Google-Suchmaschine

(Bild: Google/Daniel AJ Sokolov)

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Lesezeit: 13 Min.
Inhaltsverzeichnis

"Google is a monopolist, and it has acted as one to maintain its monopoly. It has violated Section 2 of the Sherman Act." Das sagt ein US-Bundesrichter in seinem Urteil in dem seit 2020 in Washington, DC, laufenden Kartellrechtsverfahren gegen Google USA et al v Google et al. Der Datenkonzern hat seine Marktmacht zugunsten seines Suchmaschinen-Geschäfts missbraucht. Damit verstößt Google gegen US-Wettbewerbsrecht. Welche Sanktionen das Gericht verhängt, ist noch nicht entschieden. Google kann Rechtsmittel ergreifen und wird dies sicher tun.

Sanktionen könnten Google teuer zu stehen kommen. Denn das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass der Konzern nicht bloß seine Marktmacht missbraucht hat, um seinen US-Marktanteil auf rund 95 Prozent auszubauen und abzusichern, sondern auch, um überhöhte Preise für Textwerbung rund um Suchergebnisse zu verrechnen: die berühmte Monopolrente.

Der hohe Marktanteil an sich ist nicht verboten. Und tatsächlich gesteht der Richter Google zu, sich durch Investitionen und kluge Entscheidungen die Marktführung erarbeitet zu haben. Allerdings habe Google die dadurch erzielten Einnahmen genutzt, um sich exklusive Vorinstallation in Webbrowsern und Endgeräten zu kaufen – zum Schaden anderer Suchmaschinen und Werbetreibender. Alleine im Jahr 2021 hat Google dafür 26 Milliarden Dollar gezahlt, nicht zuletzt an Apple. Das sei der fast vierfache Betrag der gesamten sonstigen Kosten der Suchmaschine. Überzeugende Rechtfertigungen für sein wettbewerbsfeindliches Verhalten habe Google nicht vorbringen können.

Allerdings hat der Richter in einigen Klagepunkten zugunsten Googles entschieden. (siehe dazu unten)

[Update: Die folgenden Abschnitte sind ein Update vom 6. August 2024, 2:26 Uhr.]

In seinem Urteil muss der Richter zunächst bestimmen, welche Märkte es überhaupt gibt (Marktabgrenzung), gegebenenfalls ob Google dort ein Monopol (besondere Marktmacht) hat, um dann feststellen zu können, ob Google das etwaige Monopol missbraucht hat.

Beispielsweise hat Google in dem Verfahren behauptet, dass es einen Markt für allgemeine Internetsuche gar nicht gäbe, weshalb das Unternehmen dort auch kein Monopol haben könne. Der Markt bestünde vielmehr aus "Antwortdiensten auf Nutzerfragen", nicht aus allgemeinen Suchmaschinen. Mit dieser Darstellung konnte Google nicht reüssieren: Die vorgebrachten Beweise zeigten, dass es sehr wohl einen Markt für allgemeine Suche gibt; alternative Angebote wie Suchen in Sozialen Netzwerken oder bei auf bestimmte Themen spezialisierten Diensten seien kein ausreichender Ersatz für allgemeine Suchmaschinen, sondern lediglich Ergänzung. Das gehe auch aus Googles eigenen Studien hervor.

Und in dem Markt für allgemeine Suchmaschinen verfüge Google über die Marktmacht eines Monopolisten. Direkte Beweise dafür sind die enormen Umsätze und "immensen Profitmargen" der Suchmaschine, aber auch eine interne Untersuchung der Konzerns aus dem Jahr 2020: Dabei hat Google festgestellt, dass es keine nennenswerten Umsatzverluste erleiden werde, selbst wenn es die Qualität der Suchmaschine deutlich reduziere. Das zeige Googles Marktmacht. Und wie geneigte Leser wissen, hat sich dieses Studienergebnis inzwischen bewahrheitet.

Außerdem haben die Kläger beweisen können, dass ein Google-Manager angeordnet hat, Datenschutzmaßnahmen auszubremsen. Das alleine sei aber kein starker Beweis für Monopolmacht – denkbar sei, dass Nutzer bereit seien, für bessere Suchergebnisse weniger Datenschutz in Kauf zu nehmen.

Indirekte Beweise für Googles Monopolmacht sind die enormen Marktanteile der Google-Suchmaschine (2020 89,2 Prozent insgesamt und 94,9 Prozent auf mobilen Endgeräten) sowie die hohen Markteintrittsbarrieren (nicht zuletzt aufgrund der von Google abgeschlossenen Exklusivverträge). Bislang habe auch Künstliche Intelligenz bei Suchmaschinen diese Barrieren nicht hinreichend abgebaut.

Dann wendet sich das Gericht dem Thema Online-Werbung zu. (Hier ist zum besseren Verständnis von Bedeutung, dass das Verfahren aus ursprünglich zwei verschiedenen Klagen beruht, jeweils einer Klage der US-Regierung sowie einer Klage von US-Staaten. Siehe dazu unten.) Die US-Regierung behauptete in ihrer Klage, Google habe Monopolmacht für Online-Werbung bei Suchmaschinen schlechthin. Die Klage der US-Staaten spricht hingegen nur von Werbung auf allgemeinen Suchmaschinen. Beide Klagen sind sich einig darüber, dass Google jedenfalls Monopolmacht beim Teilbereich Text-Werbung auf allgemeinen Suchmaschinen habe.

Google hingegen meinte, das alle Arten von Online-Werbung mit einander in Konkurrenz stünden und einander ersetzen können, es also gar keine eigenen Märkte für Werbung bei Suchmaschinen oder bei allgemeinen Suchmaschinen oder für Text-Werbung bei allgemeinen Suchmaschinen geben könne. Das Gericht sieht das differenziert.

Laut Urteil wurden im Verfahren keine ausreichenden Beweise vorgebracht, die einen einheitlichen Markt für Werbung auf Suchmaschinen schlechthin zeigten; wohl aber sei bewiesen worden, dass es einen Markt für Werbung auf generellen Suchmaschinen gibt, zumal andere Online-Werbeformen mit den spezifischen Informationen aus Suchanfragen nicht mithalten könnten. Doch seien die Kläger beim nächsten Schritt gescheitert: Sie hätten nicht dargelegt, dass Google in diesem Markt Monopolmacht hat. Und Google habe zwar regelmäßig die Preise für Text -Werbung erhöht, nicht aber regelmäßig für andere Werbung, beispielsweise Produkte in Google Shopping (product listing ads, PLA).

Den Teilmarkt der Text-Werbung auf allgemeinen Suchmaschinen erkennt das Gericht ebenfalls als wettbewerbsrechtlich relevanten Markt an. Textwerbung sei den echten Suchergebnissen viel ähnlicher, von den Werbetreibenden selbst geschrieben, und für viel mehr Werbeziele verfügbar als Zusatzdienste wie PLAs. Entsprechend würden selbst Einzelhändler andere Angebote als Zusatz für Textwerbung betrachten, nicht als möglichen Ersatz.

Und bei Textwerbung auf allgemeinen Suchmaschinen hätten die Kläger Googles Monopolmacht sehr wohl bewiesen. Der Konzern setze die Parameter der Werbeplatzversteigerungen ohne Rücksicht auf Angebote Bings (oder anderer Mitbewerber) fest, was ein direkter Beweis für Monopolmacht sei. Indirekte Beweise sei der stetig steigende Marktanteil Googles bei Textwerbung auf Suchmaschine auf 88 Prozent (2020), die hohen Markteintrittsbarrieren, sowie Zeugenaussagen, wonach die Verteilung der Werbebudgets dem Marktanteil Googles folge.