US-Gesetzesantrag soll Spionage im Inland ausweiten​

Einstimmig billigt der Geheimdienstausschuss des US-Unterhauses eine Novelle nach Vorbild Chinas: Viel mehr Leute müssten Spionage unterstützen.​

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Scherenschnitt. Durch einen Türspalt fällt Licht in einen dunklen Raum

(Bild: Serg001/Shutterstock.com)

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Sogar die Putzfrau soll zur Spionage gezwungen werden können. Das sieht ein Gesetzesentwurf vor, der einstimmig den Geheimdienstausschuss des US-Unterhauses passiert hat. Ähnlich wie in der Volksrepublik China sollen nicht nur Netzbetreiber zur heimlichen Unterstützung von Spionage verpflichtet werden, sondern alle Dienstleister, die Zugang zu Kommunikations-Leitungen oder -Geräten haben. Bürgerrechtler, darunter die Elecontric Frontier Foundation (EFF), schlagen Alarm.

Im Fokus steht der berüchtigte Abschnitt 702 des Auslandsüberwachungsgesetzes FISA (Foreign Intelligence Surveillance Act). Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1978 und regelt die im Inland durchgeführte Überwachung. Ursprünglich sollte es nur auf "ausländische Mächte" und deren "Agenten" im Inland abzielen. Inzwischen ist die Anwendung wesentlich breiter, und es werden laufend auch US-Bürger überwacht. Der Geheimdienst NSA (National Security Agency) greift an den Backbones den gesamten Internetverkehr ab ("Upstream"), zudem holt sie sich von den großen Diensteanbietern direkt Daten ("Prism").

Allerdings läuft das Gesetz zum Jahresende aus, wenn es nicht verlängert wird. Es auslaufen zu lassen und deutlich weniger zu spionieren, ist für Washington keine Option. Aber vielleicht lässt sich mit der Verlängerung auch ein Reförmchen erringen. Der Justizausschuss des Unterhauses hat einen Gesetzesantrag namens Protect Liberty and End Warrantless Surveillance Act befürwortet. Er würde Abschnitt 702 für drei Jahre verlängern, gleichzeitig aber Einschränkungen vornehmen.

Erstens soll Überwachung in den USA nur noch zulässig sein, wenn es begründeten Tatverdacht (probable cause) gibt, wie er bei strafrechtlichen Untersuchungen für einen Gerichtsbeschluss erforderlich wäre, oder wenn eine von mehreren Ausnahmen gegeben ist. Zweitens dürften US-Behörden nicht mehr bei privaten Überwachungsunternehmen Daten einkaufen, die die Behörden selbst nicht legal erheben dürften.

Der Geheimdienstausschuss hat allerdings einen anderen Gesetzesantrag an das Plenum geschickt. Zu Beginn geht es dabei darum, den Inlandsgeheimdienst FBI (Federal Bureau of Investigation) einzuschränken. Das FBI ist auch für strafrechtliche Ermittlungen zuständig. Diese Doppelfunktion hat dazu geführt, dass sich FBI-Ermittler in rein strafrechtlichen Ermittlungen auf Befugnisse für die Spionageabwehr berufen haben. Auch Demonstranten hat das FBI rechtswidrig überwacht. Solchen Missbrauch soll der Gesetzesantrag einschränken, wenn auch nicht völlig verunmöglichen. Dazu kommen diverse Änderungen bei den geheim tagenden Spionagerichten Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) und dessen – soweit bekannt kaum tätige – Berufungsinstanz FISCR (Foreign Intelligence Surveillance Court of Review).

Gegen Ende des Gesetzesantrags, in Abschnitt 504, findet sich eine kleine Änderung, die es in sich hat. Bereits nach geltender Rechtslage können die US-Dienste bestimmte Kommunikationsbetreiber zur heimlichen Mitarbeit an geheimdienstlicher Überwachung zwingen. Das betrifft Betreiber von Telecom-Netzen, elektronischen Kommunikationsdiensten und Fernzugriffsdiensten, sowie andere Kommunikationsdienstleister mit Zugang zu Leitungen oder elektronischen Kommunikationseinrichtungen. Und natürlich deren Manager, Mitarbeiter oder Beauftragte.

In der neuen Fassung des Geheimdienstausschusses würde der Zwang zur Spionage auf alle Dienstleister ausgeweitet, die Zugang zu Leitungen oder elektronischen Kommunikationseinrichtungen haben, über die Kommunikation übertragen wird oder übertragen werden könnte, oder auf denen Kommunikation gespeichert wird oder gespeichert werden könnte. Außerdem werden nicht nur Manager, Mitarbeiter und Beauftragte zwangsverpflichtet, sondern auch "custodians" – also beispielsweise jemand, der ein Gerät nur vorübergehend aufbewahrt.

Damit reicht die Bandbreite von Bibliotheken oder Cafés, die WLAN bereitstellen, über Paketboten bis hin zum Raumpflegepersonal, das in Privatwohnungen eingelassen wird und dort einen Router abstaubt. Auch Vermieter von Geschäftslokalen, Betreiber von Datenzentren oder neutralen Colocation-Einrichtungen, Hotelpagen oder Anbieter von Gemeinschaftsbüros könnten unter dieser Bestimmung zur Spionage gezwungen werden, etwa zur Installation von Überwachungseinrichtungen oder dem Auslesen von Datenträgern. Selbst Händler, die neue elektronische Geräte, Kabel oder Datenträger verkaufen, könnten zwangsverpflichtet werden – schließlich könnte über diese Dinge eines Tages Kommunikation laufen.

Abgeordnete, die diese Novelle unterstützt haben, geben an, dass die neue Bestimmung nicht so umfassend gemeint sei. Was die spezifische Änderung stattdessen bewirken soll, haben sie aber nicht vermitteln können. Und US-Dienste greifen sich traditionell die weitestmögliche Rechtsauslegung. Daher ruft die EFF alle US-Bürger auf, ihre Abgeordneten zu kontaktieren und zu einer Nein-Stimme aufzufordern. Die Zeit drängt: Das Plenum des Repräsentantenhauses könnte bereits am Dienstag über den Gesetzesantrag abstimmen.

Lesen Sie im Archiv aus 2017 einen Artikel anlässlich der damaligen Verlängerung von Section 702:

(ds)