US-amerikanische Musiker verteidigen Online-Tauschbörsen

Für Künstler wie Steve Winwood, Chuck D und die Band Heart wiegen die Chancen, die sich durch Tauschbörsen eröffnen, schwerer als mögliche Urheberrechtsverletzungen.

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Wenn sich der US-amerikanische Supreme Court voraussichtlich Ende dieses Monats mit der Klage der Unterhaltungsindustrie gegen die Tauschbörsen-Softwareentwickler Grokster und StreamCast befasst, dann liegen ihm nicht nur Eingaben von Musikern vor, die sich rundweg gegen Filesharing aussprechen. Ein Gruppe von Künstlern, darunter Steve Winwood, Chuck D von der Gruppe Public Enemy und die Band Heart, verurteilen in ihrer Eingabe laut Washington Post zwar das Stehlen urheberrechtlich geschützter Werke. Aber sie sehen in Grokster, Kazaa und anderen Tauschbörsen eine Vertriebsalternative. "Nicht alle Musiker verurteilen P2P-Filesharing", zitiert die Zeitung aus der Eingabe. Vielen Musikern biete sich durch die Technik eine Möglichkeit, ihre Werke einem großen Publikum zugänglich zu machen. Diese wiege schwerer als das Risiko der Urheberrechtsverletzung.

Einige Musikervereinigungen und andere Organisationen hatten sich im Januar der Klage der Recording Industry Association of America und der Motion Picture Association of America angeschlossen und meinen unisono, Internet-Tauschbörsen und Hersteller entsprechender Software seien für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich zu machen. In der aktuellen Eingabe heißt es hingegen, bevor es Online-Filesharing gab, seien die Künstler beim Vertrieb ihrer Werke größtenteils auf große Plattenfirmen und auf einige unabhängige Label angewiesen gewesen. Nachwuchskünstler hätten aber oft nur geringe Chancen gehabt, einen Plattenvertrag zu bekommen. Einer der Opponenten der Musikindustrie, Jason Mraz, behauptet, etwa die Hälfte des Publikums, das seine Konzerte besuche, hätten von ihm über Tauschbörsen Kenntnis genommen. Die Musikerin Janis Ian, die sich bereits mehrfach öffentlich unter anderem gegen die Kopierschutzmaßnahmen der Musikindustrie ausgesprochen hat, betont, Filesharing ermögliche es ihr, den Vertrieb der eigenen Werke selbst in die Hand zu nehmen und nicht allein von kommerziellen Vertriebswegen abhängig zu sein.

Die Argumentation überschneidet sich mit den Ergebnissen einer Studie, die das Pew Internet & American Life Project Ende vergangenen Jahres vorgelegt hatte. Etwa 43 Prozent der befragten Künstler hatten gesagt, Filesharing sei nicht schlecht für sie, denn ihre Arbeiten würden auf diese Weise einem großen Publikum zugänglich gemacht. Der Verband der US-amerikanischen Musikindustrie RIAA behauptet hingegen, Filesharing füge den Künstlern ausschließlich Schaden zu und fordert ein Verbot von Tauschbörsen. Dem wollten die Gerichte der Vorinstanzen nicht folgen. Alleine die Möglichkeit, mit der Software etwa gegen das Urheberrecht zu verstoßen, reiche nicht aus für ein Verbot.

Derweil geht die RIAA weiter einzelne Tauschbörsennutzer vor. Ende Januar reichte sie gut 700 weitere Klagen gegen Unbekannt ein und hat nun weitere 750 angekündigt. Ihr Pendant von der Filmindustrie MPAA startete im November 2004 ihre Offensive gegen Tauschbörsennutzer und erwirkte im Februar in einem Schnellverfahren die Schließung der BitTorrent-Link-Site LokiTorrent.com. Hierzulande verspricht sich die Musikindustrie ebenfalls einen Abschreckungseffekt durch Klagen. Kürzlich wurde dagegen die Unterschriftenaktion Fairsharing gestartet. Die Erstunterzeichner, darunter einige Musiker, Schriftsteller, Bürgerrechtler, Hochschullehrer und Politiker, wenden sich gegen eine Kriminalisierung von Tauschbörsennutzern und plädieren für eine "Kulturflatrate". Für fünf Euro im Monat sollten Surfer unbegrenzt legal im Internet tauschen können. (anw)