Ubuntu-Linux: Mit durchdachtem Design die Welt verbessern

Jeff Waugh, Community-Chef der Linux-Distribution Ubuntu, erläuterte zum Abschluss des Entwicklertreffens FOSDEM die Philosophie der Netzwerkeffekte hinter dem aufstrebenden Free-Software-Projekt.

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Der Gemeinde der Programmierer freier Software haftet seit langem die Duftnote der Weltverbesserer an. Erst gar kein Geheimnis aus diesem Bestreben macht das etwa fünfzigköpfige Kernteam der Code- und Marketingexperten hinter Ubuntu-Linux. Hauptgeldgeber der Firma Canonical und der Ubuntu-Stiftung, welche die Linux-Distribution hauptsächlich vorantreiben, ist der schillernde südafrikanische Millionär Mark Shuttleworth. Er machte mit dem Verkauf einer Sicherheitsfirma an VeriSign ein Vermögen und sich selbst einen Namen als Weltraumtourist auf der Internationalen Raumstation. Sein Software-Abenteuer hat er nach dem Begriff für "Menschlichkeit" aus der Zulu-Sprache benannt. Zum Abschluss des Free and Open Source Software Developers' European Meeting (FOSDEM) in Brüssel erläuterte Jeff Waugh, Community-Chef der Linux-Distribution, am gestrigen Sonntagabend nun erstmals vor großem Publikum in Europa die Philosophie des aufstrebenden Free-Software-Projekts näher.

Demnach geht es den Ubuntu-Entwicklern vor allem darum, "die Freiheit als eine Nutzererfahrung erfassbar zu machen". Man habe es sich zur Aufgabe gemacht, Werte wie die von freier Software erreichte Unabhängigkeit von den Designvorgaben großer Konzerne "zum Rest der Welt zu bringen", nicht nur "zu den Geeks". Der Fokus liege dabei auf dem Ziel des "universellen Zugangs". Ubuntu würde daher etwa auf die Anwendbarkeit für Menschen mit Behinderungen getrimmt. "Außerdem haben wir ein großes Übersetzungsteam", damit nicht nur englischsprachige Computerfreaks in den Genuss freier Software kommen würden.

Was das seit etwa zwei Jahren arbeitende Projekt bereits erreicht hat, demonstrierte Waugh mit einem Rückblick auf die ganz in grau gehaltene Voreinstellungsauswahl beim Linux-Desktop GNOME. Dort hätte man zwar beispielsweise die Wiedergabe von Animationen bis auf den Millisekundenbereich einstellen können. Die Dialogboxen hätten aber selbst erfahrene Techniknutzer oft überfordert und gleichzeitig oft wesentliche Entscheidungen ausgeblendet. Eine möglichst große Auswahl ist nicht immer von Vorteil, wenn es auf die Bedienerfreundlichkeit und den Erfolg beim einer möglichst umfangreichen Anwenderzahl ankommt, lernte Waugh daraus. "Für 99 Prozent der Menschen besteht die Freiheit von Software aus Megapixel", stellte er einen Vergleich mit dem für viele besonders häufig beim Kauf einer Digitalkamera herangezogenen Kriterium an. Den leicht bedienbaren und direkt um den Musikgenuss herum gestrickten und mit Lifestyle-Effekten vermarkteten iPod Apples stellte der Australier als ein Vorbild für Ubuntu dar.

Eine "Killer-Applikation" braucht eine auch auf dem Desktop erfolgreiche Linux-Distribution laut Waugh dagegen nicht. Viel wichtiger sei das Erzielen von Netzwerkeffekten. Dazu sei es vor allem von Bedeutung, sein Produkt möglichst einfach unters Volk zu bringen. "Frei im Sinne von Freibier spielt bei freier Software eben durchaus eine Rolle", glaubt der Ubuntu-Entwicklungschef. Die Distribution mit dem minimalistischen Design, die auf Debian basiert und mit einem auf GNOME sowie alternativ inzwischen auch auf KDE aufbauenden Desktop ausgerüstet ist, wird daher kostenlos über eine eigene Website aus einem Vertriebslager in den Niederlanden verschickt – für alle, die sich den Dowload der knapp 550 Megabyte schweren Software-Suite sparen wollen. "Die Leute verstehen die Freiheit schließlich nur, wenn sie diese selbst erleben können", begründet Waugh dieses Angebot. Er erinnerte zudem an das klare Versprechen Shuttleworths, Ubuntu immer kostenfrei verfügbar zu halten. Geld verdienen wolle man künftig über Support-Angebote, Serverergänzungen, Partnerschaften oder Zertifikationen aber durchaus.

Ohne ein strenges Management der Entwicklergemeinde lassen sich dem Free-Software-Befürworter zufolge die erforderlichen Netzwerkeffekte nicht erreichen. Bei Ubuntu habe man daher etwa mehrfach die Position eines "Baby Jesus" vergeben. Diese Entscheider sollen als "kleine Diktatoren" über wichtige Weichenstellungen in der Community wachen. Nicht zu vernachlässigen sei es zudem, kostenlos Hilfe für Nutzer übers Netz anzubieten. Ubuntu hat dazu unter anderem ein Wiki sowie eine weitere Foren-Site eingerichtet. Ausschlaggebend für den mittelfristigen Erfolg sei ferner, offene Standards rund um Linux und die darauf laufenden Medienformate zu etablieren.

Ubuntu selbst, das gemäß der befürworteten Designprinzipien mit einer sehr übersichtlichen Bildschirmoberfläche und Menüführung aufwartet, ist laut Waugh schon recht weit gekommen. Dank dem verwendeten Paketmanager verlaufe die Installation "aus der CD-Schachtel heraus" etwa schon einfacher als bei Windows XP. Dass das Microsoft-Betriebssystem auf den meisten Desktop-Rechnern und Laptops schon vorinstalliert ist, sei ein Problem, an dem man arbeite. Waugh kündigte diesbezüglich für "die nächsten sechs Monate" Nachrichten über eigene Vertriebskooperationen mit Computerherstellern an. Der versammelten Entwicklergemeinde rief er letztlich ins Gedächtnis zurück, dass "jedes Stück Technik eigene Regeln hat, die oft versteckt sind. Wir können sie gerade noch verstehen, die meisten Leute erkennen sie aber nicht." Es sei daher unerlässlich, die Freiheit etwa auch der Meinungsäußerung in den künftigen Technikarchitekturen fest zu verankern.

Zum Free and Open Source Software Developers' European Meeting (FOSDEM) siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)