Überwachung: Bundestag lässt Polizei länger mit Staatstrojanern Einbrecher jagen

Die Befugnis zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung bei Wohnungseinbruchdiebstahl gilt – wegen mangelnder Überprüfbarkeit während Corona – weitere 5 Jahre.

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(Bild: Mummert-und-Ibold/Shutterstock.com)

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Die Strafverfolgungsbehörden sollen bei Ermittlungen wegen Wohnungseinbruchdiebstahls ihre erweiterten Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung(TKÜ) inklusive des Einsatzes von Staatstrojanern länger erproben dürfen. Eine zunächst bis zum 12. Dezember befristete Klausel hat der Bundestag am Donnerstag um gut fünf Jahre bis zum 1. Januar 2030 verlängert. Die Änderung des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens hatte der Rechtsausschuss zuvor auf Antrag der einstigen Koalitionsfraktionen in einen anderen, völlig sachfremden Gesetzentwurf der Bundesregierung eingefügt. Dabei geht es um die Reform der Höfeordnung, mit der neue Werte für Bauernhöfe in vier Bundesländern festgelegt werden.

Der Bundestag hat damit den ersten Gesetzesbeschluss nach dem Auseinanderbrechen der Ampel vorige Woche und der Ankündigung von Neuwahlen am 23. Februar 2025 gefasst. Für den aufgebohrten Entwurf stimmten neben SPD, Grünen und FDP auch die CDU/CSU-Fraktion sowie die Gruppe BSW. Die AfD und die Gruppe der Linken waren dagegen. Vertreter von CDU und CSU hatten zuvor betont, dass sie nicht zum Steighalter der kaputten Ampel werden und nur wenige, auch ihnen wichtige Angelegenheiten auf Basis einer Prioritätenliste unterstützen wollten.

2019 führte der Bundestag erstmals eine Bestimmung in die Strafprozessordnung (StPO) ein, wonach bei Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung eine TKÜ angeordnet werden kann. Dazu reicherten die Abgeordneten den bereits breiten Straftatenkatalog aus Paragraf 100a StPO um diesen Tatbestand an. Auf Basis dieser Liste kann die Polizei schon seit 2017 auch in vielen anderen Fällen bis hin zu Alltagskriminalität eine Quellen-TKÜ durchführen. Dabei geht es darum, die laufende Kommunikation per Staatstrojaner direkt auf dem Gerät eines Verdächtigen abzugreifen, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurde.

Da es sich bei einer solchen Maßnahme um einen grundrechtssensiblen Eingriff handelt, befristete der Gesetzgeber die Ermächtigung bei der Jagd auf Einbrecher zunächst auf fünf Jahre. Die Bundesregierung legte den Ampel-Fraktionen dann Anfang Oktober mit einer "Formulierungshilfe" nahe, die Befugnis zu verlängern. Begründung: die bisherige Evaluierung der Kompetenzen sei wegen der Corona-Pandemie aufs Jahr 2022 beschränkt gewesen, in dem viele im Homeoffice gearbeitet hätten. Nur eine Überprüfung unter "Normalbedingungen", der auch ein längerer Auswertungs- und Beurteilungszeitraum zugrunde gelegt werden könne, lasse eine umfassende Bewertung der Effizienz und Effektivität der Maßnahme in der Praxis zu. Erst im Anschluss soll über ein Auslaufen oder eine Entfristung der Norm entschieden werden.

Carsten Müller (CDU) erinnerte bei der Aussprache daran, "dass es die Union war", die einen Antrag schon vor einem Jahr eingebracht habe. Damals habe die Ampel noch nicht zugestimmt. In weniger als fünf Prozent der Fälle von Wohnungseinbruchsdiebstahl werde eine TKÜ angeordnet und habe eine extrem hohe Ermittlungsquote zur Folge. Zugleich kündigte der Christdemokrat an: Seine Fraktion werde bei dem absehbaren Regierungswechsel "als eine der ersten Maßnahme die Entfristung durchführen", weil man den Sicherheitsbehörden Rechtssicherheit geben wolle.

Die CDU/CSU-Fraktion brachte unlängst einen weiteren Antrag ein, der am Donnerstag im Plenum aber nicht behandelt wurde. Damit drängen die Konservativen darauf, die erweiterten Ermittlungsbefugnisse zur Quellen-TKÜ generell bei Verbrechen und besonders schweren Vergehen vorzusehen. Die Konservativen machen sich ferner dafür stark, eine Vorratsdatenspeicherung für IP-Adressen einzuführen. Die Bundesregierung hat sich dazu eigentlich auf den alternativen Quick-Freeze-Ansatz zum Einfrieren von Nutzerspuren geeinigt. Doch auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) setzt sich weiter dafür ein, IP-Adressen auf Vorrat zu speichern.

Sebastian Fiedler (SPD) betonte, dass seine Fraktion sich angesichts des vorliegenden Datenmaterials ebenfalls hätte vorstellen können, auf die Evaluation und Befristung zu verzichten. Die TKÜ sei ein erfolgsversprechendes Mittel zur Aufklärung. Die geringen Fallzahlen seien keine Überraschung, weil das Personal "gar nicht da ist, um ausufernd Telefonüberwachung zu machen". Auch die rechtliche Komplexität polizeilicher Maßnahmen habe stark zugenommen. Strafverfahren müssten künftig effizienter und effektiver ausgestaltet werden, "wobei keine Denkverbote bestehen dürften". Fiedler unterstrich: "Wir werden uns weiter für IP-Adressenspeicherung einsetzen."

Von einem tiefen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis bei der TKÜ sprach Philipp Hartewig (FDP): Angesichts der wachsenden Professionalität der Täter sei eine Verlängerung aber eine richtige Entscheidung. Die Evaluation sei bislang kaum aussagekräftig und brauchbar. Der Kompromiss trage die Handschrift der Anerkennung vor dem Rechtsstaat und der Probleme der Opfer einschlägiger Straftaten.

Sie habe angesichts großer Ankündigungen nach dem Ampel-Aus erwartet, "endlich kommt da etwas, was den Bürgern wirklich hilft", erklärte Clara Bünger (Linke). Stattdessen sei "die Höfeordnung aufgesetzt und darin noch ein Grundrechtseingriff versteckt", der Staatstrojaner auf die Geräte der Bürger bringe. Das gehe gar nicht. Auch Bernd Schattner (AfD) monierte, dass sonst fast alle Anträge von der Agenda genommen worden seien.

(mho)