Ukraine: Russland hat angeblich Atomgelände von Tschernobyl erobert

Russische Truppen dringen offenbar auch über Tschernobyl, das an der Grenze zu Belarus liegt, in die Ukraine vor.

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Warnschild am Eingang zur Sperrzone rund um das havarierte AKWTschernobyl. Das unautorisierte Betreten der Zone ist verboten.

(Bild: bfs.de)

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Russische Truppen versuchen nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, das Gelände des stillgelegten Atomkraftwerks Tschernobyl einzunehmen. "Unsere Verteidiger geben ihr Leben, damit sich die Tragödie von 1986 nicht wiederholt", schreibt Selenskyj auf Twitter. Er habe die schwedische Regierung informiert und ergänzt: "Das ist eine Kriegserklärung an ganz Europa."

Der NBC-Reporter Richard Engel twitterte, laut einem Berater des ukrainischen Innenministeriums seien russische Truppen bereits in Tschernobyl eingedrungen. Bei den Kämpfen sei möglicherweise ein Atommülllager beschädigt worden.

Selenskyj spielt offenbar auf den Super-GAU in Block 4 des Atomkraftwerks Tschernobyl vom 26. April 1986 an. Dort hatte sich damals eine Kernschmelze und eine Explosion ereignet, die Umgebung wurde radioaktiv kontaminiert, insbesondere Schweden war vom nachfolgenden radioaktiven Fallout betroffen. Der letzte der übrigen Reaktoren in Tschernobyl, Block 3, wurde 2000 wegen schwerwiegender Sicherheitsmängel komplett abgeschaltet. Die unversehrten Blöcke sollen bis spätestens 2064 rückgebaut werden, über Block 4 wurde ein Sarkophag errichtet, der 2017 erneuert wurde.

Die ukrainische Regierung hatte schon vor Wochen befürchtet, russische Truppen könnten von Belarus aus in Richtung des seit den Evakuierungen von 1986 kaum besiedelten Tschernobyl vorstoßen. Es wurde berichtet, dass die Ukraine dort deshalb Truppen stationiert hatte.

In der Ukraine gibt es insgesamt 15 Reaktorblöcke, von denen im Dezember 2021 14 in Betrieb waren und 300 Millionen kWh Strom pro Tag produzierten. Vor Kurzem gingen zwei Reaktoren wegen Problemen vom Netz.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am frühen Donnerstagmorgen einen Auslandseinsatz des russischen Militärs in den Regionen Luhansk und Donezk offiziell angeordnet. Später hieß es aus Moskau, die russische Armee führe Angriffe mit "Hochpräzisionswaffen" aus. Dabei würden in der gesamten Ukraine auch vom Meer und von Belarus aus militärische Infrastruktur, Einrichtungen zur Luftverteidigung, Militärflugplätze und die Luftwaffe der ukrainischen Streitkräfte außer Gefecht gesetzt. Ziel des russischen Militäreinsatzes sei nicht, die Ukraine zu besetzen, sondern der Schutz von Menschen vor einem Völkermord, heißt es aus Moskau.

Auch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew wurden Explosionen vernommen, russische Truppen sollen der Stadt schon sehr nahe gekommen sein. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat mit Zustimmung des Parlaments das Kriegsrecht verhängt, er geht davon aus, dass Russland die Ukraine "zerstören" wolle.

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[Update 24.02.2022 – 18:45 Uhr] Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen Mitarbeiter des ukrainischen Präsidenten mit der Information, dass das Gelände inzwischen erobert wurde.

(anw)