Union hat schwere Bedenken gegen geplante Datenschutzreform

Bei der 1. Lesung des Regierungsentwurfs zur Einführung eines Datenschutzaudits und zur Novellierung des Datenschutzrechts kritisierte die CDU den Vorstoß von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble scharf.

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Der federführend von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgearbeitete Regierungsentwurf zur Einführung eines Datenschutzaudits und zur Novellierung des allgemeinen Datenschutzrechts stößt just in den eigenen Fraktionsreihen auf den größten Widerstand. "Das Ende der Überlegungen und der Auseinandersetzungen mit diesem heiklen Thema sehe ich noch lange nicht", stemmte sich die CDU-Innenpolitikerin Beatrix Philipp bei der 1. Lesung des umstrittenen Vorhabens am gestrigen Donnerstagabend im Bundestag gegen eine rasche Verabschiedung der Vorlage. Die Initiative ihres Parteikollegen schießt laut der Unionsabgeordneten "über das eigentliche Ziel von Datenschutz hinaus". Effektiver Verbraucherschutz werde damit sogar "mehr als fraglich".

Stein des Anstoßes ist für Philipp vor allem die geplante Abschaffung des sogenannten Listenprivilegs. Dieses erlaubt derzeit noch die Verwendung personenbezogener Daten wie Adressangaben zu Zwecken der Werbung, Markt- und Meinungsforschung ohne Einwilligung der Verbraucher und gilt als Anreiz für den florierenden Datenhandel auf einem Graumarkt. Für die Unionsvertreterin kommt die Einführung eines Opt-in-Prinzips aber einem Verbot personifizierter Marketingmöglichkeiten gleich. Jeder Einzelne werde so "Opfer ungefilterter flächendeckender Werbung, die im Vergleich zu heute erheblich zunehmen wird", fürchtete Philipp. Es werde wieder vermehrt Drückerkolonnen geben, die "an der Haustür klingeln und uns belästigen". Auch Telefonwerbung werde sich erneut häufen. Die Auswirkungen träfen zudem die deutsche Wirtschaft insgesamt, was in der derzeitigen Krisensituation kaum zu verantworten sei. Es gehe um einen Markt von 11,5 Milliarden Euro.

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, beklagte dagegen eine Verzögerungstaktik bei der großen Koalition. Dem "gewissenlosen Umgang" mit und dem "Herumvagabundieren von Daten" hätte schon längst gesetzgeberisch ein Riegel vorgeschoben werden müssen. Die geplante Einführung des Opt-in-Prinzips bezeichnete sie als Stärkung der informationellen Selbstbestimmung. Überdies trat die Liberale dafür ein, über "Datenmarker" die Herkunft gehandelter personenbezogener Informationen nachvollziehbar zu machen. Dem Ansatz der Regierung zur Etablierung eines Datenschutzsiegels konnte Piltz dagegen wenig abgewinnen. Er lasse klare Prüfungsmaßstäbe vermissen und führe wohl zu großem bürokratischen Aufwand.

Für die Linke machte Petra Pau in einem zu Protokoll gegebenen Beitrag deutlich, dass ihr der Vorstoß nicht weit genug gehe. Ihre Fraktion teile die Forderungen von Daten- und Verbraucherschützern. Silke Stokar von den Grünen lobte im Gegensatz zu Philipp ausnahmsweise Schäuble, da er zumindest als Antwort auf zahlreiche Datenschutzskandale "ein durchaus ambitioniertes Datenschutzgesetz für den privaten Bereich" vorgelegt habe. Sie bedauerte, dass angesichts der Haltung der großen Koalition "Opt-in" offenbar aber bereits "gestorben" sei. Dabei gehe es mit dem Aus für das Listenprivileg darum, dass nicht länger mit Daten, die ein Verbraucher zu einem bestimmten Zweck zur Verfügung gestellt habe, hinter seinem Rücken etwa Kundenprofile erstellt und diese an andere Unternehmen verkauft würden. Personenbezogene Informationen dürften nicht mehr länger eine "beliebige Ein-Euro-Ware" darstellen. Das geplante "Placebo" eines Gütesiegels für den Datenschutz müsse in ein "vernünftiges" umgewandelt werden.

Michael Bürsch hielt im Namen der SPD-Fraktion am Ziel fest, den Entwurf noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Richtschnur müsse die Linie bleiben: "Einwilligung statt Widerruf." Es sei aber ein Interessenausgleich zu finden, kündigte der Innenpolitiker ein Eingehen auf die Proteste aus der Wirtschaft an. Zuvor hatte der SPD-Verbraucherschutzpolitiker Manfred Zöllmer die Initiative insgesamt begrüßt. Man müsse beim Listenprivileg aber zu einer "vernünftigen Lösung" kommen, um einerseits Datenmissbrauch zu verhindern, andererseits den Wettbewerb der Unternehmen aber nicht zu behindern. Hilfe bei der weiteren Beratung des Vorhabens in den Ausschüssen erwarten sich die Abgeordneten von einer Expertenanhörung zum Thema am kommenden Montag.

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(Stefan Krempl) / (jk)