Unter anderem Text: Ă„ltester Sternenkatalog dank spezieller Fotos entdeckt

Aus Materialmangel wurden im Mittelalter antike Texte ĂĽberschrieben. So verlorene Inhalte lassen sich nun rekonstruieren, mit teils sensationellen Ergebnissen.

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(Bild: muratart/Shutterstock.com)

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Dank neuer Abbildungstechnologie und spezieller Computeralgorithmen haben drei Forscher einen neuen Beweis für die Existenz des lange verlorenen ersten Sternenkatalogs der Geschichte gefunden. Auf einem sogenannten Palimpsest aus einem Kloster auf der Sinai-Halbinsel in Ägypten hat das Team um Victor Gysembergh vom französischen Forschungszentrum CNRS den Ausschnitt des Sternenkatalogs von Hipparchos gefunden, mit dem die wissenschaftliche Astronomie begonnen hat. Die darin enthaltenen Angaben zu den Sternörtern sind demnach so genau, dass man sie auf 129 v. Chr. habe datieren können, mitten in die Lebenszeit des Astronomen.

Sternenkatalog von Hipparchos unter Manuskript entdeckt (4 Bilder)

Aufdeckung des unsichtbaren Inhalts
(Bild: Museum of the Bible ( CC BY-SA 4.0). Photo by Early Manuscripts Electronic Library/Lazarus Project, University of Rochester; multispectral processing by Keith T. Knox; tracings by Emanuel Zingg)

Ein Palimpsest ist ein Manuskript, dessen ursprĂĽnglicher Inhalt entfernt und das dann neu beschrieben wurde. Vor allem im Mittelalter war das wegen Materialmangels eine weit verbreitete Praxis, viele aus der Antike ĂĽberlieferte Dokumente sind so verloren gegangen.

Wie das Team im Fachmagazin Journal for the History of Astronomy erläutert, ist der Fund des Sternenkatalogs jetzt in speziellen multispektralen Aufnahmen gelungen, die schon 2017 von 146 Manuskripten gemacht wurden. Mit spezieller Software habe man die 16 Aufnahmen pro Dokument noch einmal analysiert und so rekonstruieren können, was darauf ursprünglich geschrieben stand. Gesucht wurde damit nach bestimmten Kombinationen von Mustern in den verschiedenen Scans, die den unsichtbaren Text darunter sichtbar machen.

Der Fund bestätige jetzt, wie präzise Hipparchos vor mehr als 2000 Jahren gearbeitet hat und wie weit er seiner Zeit voraus war. Der Astronomiehistoriker James Evans hat dem US-Wissenschaftsmagazin Nature erklärt, dass der bislang älteste erhaltene Sternenkatalog von dem griechischen Astronomen Claudius Ptolemäus stammt und mehr als 200 Jahre jünger ist. Die Zahlen von Hipparchos seien aber offenbar bereits deutlich präziser gewesen. Sie würden nun einen Meilenstein in der Geschichte der westlichen Zivilisation beleuchten, die "Mathematisierung der Natur". Hipparchos sei dabei auch über das Vorbild der Babylonier hinausgegangen, auf deren astronomische Arbeiten er aufbaute.

Die eingesetzte Technik zur Identifizierung der nicht komplett entfernten ursprünglichen Texte könnte auch bei den tausenden weiteren derartigen Manuskripten fündig werden und verloren geglaubtes zutage fördern, meint Gysembergh noch. Auch der Codex, in dem sie jetzt fündig geworden sind, sei noch nicht komplett analysiert. Außerdem gebe es in dem zum UNESCO-Welterbe gehörenden Katharinenkloster, in dem die Manuskripte entdeckt wurden, noch Dutzende weitere. "Das ist nur ein einzelnes und zugleich sehr aufregendes Beispiel für eine neue Forschungstechnik, die noch bei Tausenden Manuskripten angewendet werden kann und jedes mal zu erstaunlichen Entdeckungen führen wird", versichert Gysembergh.

(mho)