Upload-Filter: YouTube lobt "mutigen" Entwurf zur Urheberrechtsreform

Seite 2: Totalopposition versus konkrete Korrekturvorschläge

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Insgesamt sind beim Justizressort in der kurzen Konsultationszeit bis Ende Juli 100 Stellungnahmen von Firmen, Verbänden, Verwertungsgesellschaften, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Einzelpersonen eingegangen, was einen Rekord darstellen dürfte. Die darin ausgedrückte Einschätzungspalette reicht von Totalopposition etwa von Bürgerrechtsorganisationen bis zu konkret ausformulierten Korrekturvorschlägen.

"Artikel 17 verstößt gegen die Grundrechte. Der deutsche Umsetzungsentwurf führt trotz zahlreicher sinnvoller Schutzvorkehrungen gegen die Sperrung legaler Uploads zu europarechtlich unzulässigen generellen Überwachungspflichten", heißt es bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Erfreulich sei zwar die vorgesehene "Legalisierung nicht-kommerzieller Nutzungen von kurzen Werksausschnitten" wie Videos oder Musik bis 20 Sekunden Länge. Trotzdem werde es aber "zur Sperrung legaler Inhalte kommen".

Die Digitale Gesellschaft ist so "zu der Überzeugung gelangt, dass die Bundesregierung die Pflicht zur automatisierten Sperrfilterung der Richtlinie" gar nicht umsetzen sollte. Sie möge sich stattdessen – wie von ihr im EU-Rat angekündigt – dafür einsetzen, dass der europäischen Gesetzgeber "das Defizit Upload-Filter korrigiert". Dies ist nach Ansicht des Vereins der gebotene Weg, um in ganz Europa nachhaltig ein freies Internet zu sichern.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) wirft der Regierung sogar vor, ihr im Koalitionsvertrag gegebenes Versprechen zu brechen, "dass es keine Upload-Filter geben wird." Die Nutzerrechte müssten "bestmöglich geschützt werden". In einem Rechtsgutachten im Auftrag des vzbv wird der Gesetzgeber angehalten, eine "Regelung zu erlassen", nach der mit Filtern verknüpfte "automatisierte Einzelfallentscheidung über Nutzerinhalte" zulässig seien. Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) lägen die Hürden dafür sehr hoch.

Die Risiken für die öffentliche Kommunikation durch die vorgeschlagenen Regelungen seien trotz des "Pre-Flagging"-Ansatzes nicht von der Hand zu weisen, warnt auch das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung. Der Entwurf sehe keinen Mechanismus vor, die negativen Folgen des Einsatzes von Upload-Filtern abzuwenden. Es seien "weitreichende Folgen für die Meinungs- und Informationsfreiheit" zu befürchten.

Einen hohen Schutzbedarf gegenüber missbräuchlichen Blockaden sieht Gesellschaft für Informatik. Diese beträfen "sowohl die Verbreitung von Forschung und Lehre als auch den Austausch und die Kommunikation unter Forschenden" wie etwa Videos von Experimenten, Anleitungen oder Mitschnitte von wissenschaftlichen Diskussionen. Das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" rät, analog zum "Fair Use" Prinzip eine "angemessene Bagatellklausel" einzuführen, um Kreativität bei Remixen und Sampling zu fördern.

Die Fraktion der Rechteinhaber meldet sich ebenfalls zu Wort. So moniert der Bundesverband Musikindustrie (BVMI), dass der Entwurf mit neuen Instrumenten wie dem "Pre-Flagging" gegen das EU-Urheberrecht und einschlägige internationale Abkommen verstoße. Der deutsche Sonderweg mit dem Ziel, "Upload-Filter überflüssig" zu machen, widerspreche dem Grundgedanken der Harmonisierung der Richtlinie. Artikel 17 schaffe "kein neues Recht, das die Einführung neuer Ausnahmen oder Beschränkungen auf nationaler Ebene ermöglichen würde".

Die Nutzungsfreiheiten öffneten "keineswegs nur Teile oder Fragmente von Werken" für eine Wiedergabe und seien damit "viel zu weit gefasst", beklagt die Nachrichtenagentur AFP im Namen der Branche. Man wäre damit beim Verwerten eigener Inhalte "sehr erheblich beeinträchtigt". Die vorgesehene Vergütung sei für eine auch nur ansatzweise Kompensation "konzeptionell und materiell unzureichend".

An der bei maximal 250 Kilobyte liegenden Bagatellgrenze für Bilder reibt sich die Fotoagentur Getty Images. Auch sehr kleine einschlägige Dateien seien regelmäßig für den Einsatz auf Online-Portalen ausreichend, sodass hier kein Geld flösse. Die Verlegerverbände BDZV und VDZ halten es für essenziell, im Sinne der EU-Vorgaben die "grundlegenden Prinzipien des geistigen Eigentums" zu stärken und nicht praktisch "den Diensteanbietern einen zustimmungsfreien Zugriff auf urheberrechtlich geschützte Inhalte" zu ermöglichen. Es dürfe nicht angehen, dass "die Megaplattformen" hier die ganzen Gewinne einführen.

Anhand der Kommentare wird das Ministerium nun einen Referentenentwurf fertigen und sich mit den übrigen Ressorts abstimmen. Die Regierungsinitiative geht dann in den Bundestag und den Bundesrat.

(tiw)